Auf gutem Kurs
Einheitliche europäische Asylpolitik in Sicht
Von Lothar Leuschen
Das eine ist sicher: So kann es nicht weitergehen. Der weitgehend ungeordnete Zustrom von Menschen aus Syrien, Afghanistan, Georgien, der Türkei, Iran und Irak führt viele Städte und Gemeinden in Deutschland an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Hinzu kommen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die bereits jetzt zu Millionen Zuflucht in Deutschland gesucht haben. Deshalb ist es ein gutes Signal, daß die Innenminister der EU am Donnerstag über ein Verfahren verhandeln. Es zeichnet sich ab, daß nach vielen Jahren endlich Einigkeit darüber entstehen könnte, wie die EU mit Flüchtlingen und Asylbegehrenden umgehen will. Bedauerlich ist allerdings, daß Deutschland auf dem Weg zu diesem wichtigen Ziel wieder einmal Hürden aufbaut. Alle wollen das Eine, aber die Bundesregierung bedingt sich Sonderwege aus. Diesmal sind es auf Druck der Grünen Familien, die an den EU-Außengrenzen nach Deutschland durchgewinkt werden sollen, ohne Vorprüfung darauf, ob sie ein Anrecht auf Asyl in Deutschland haben.
Die Bundesrepublik hat das Recht auf Zuflucht und Aufenthalt in Deutschland in seinem Grundgesetz festgeschrieben. Daran darf und sollte keine gewählte Regierung rütteln. Das macht auch die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht. Deshalb sollte es Deutschland eigentlich möglich sein, dem Kompromiß zuzustimmen, den die EU-Mitgliedsstaaten am Donnerstag ausverhandeln wollen. Die geforderte und von der Regierung auch schon eingeräumte Ausnahme wird hingegen zu einer weiteren Flickschusterei in der europäischen Zuwanderungsfrage führen. Dabei ist es auch im Sinne der Asylbegehrenden, daß an den Außengrenzen nach ordentlicher Prüfung schnell darüber entschieden wird, ob ein Antrag auf Asyl Aussicht auf Erfolg hat. So zu verfahren schränkt das Asylrecht in Deutschland in keiner Weise ein, kann aber erstens dazu beitragen, den Städten und Gemeinden nicht noch mehr Last aufzubürden. Zweitens könnte die deutsche Bundesregierung den Anschein erwecken, eine Asyl- und Migrationspolitik ins Werk setzen zu wollen, die neben den unumstößlichen humanitären Kriterien auch den Vorzug hat, zum Wohle aller verlässlich nach vereinbarten Regeln zu funktionieren.
Der Kommentar erschienen am 7. Juni 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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