Opium fürs Volk

Moslems zünden Schwedens Botschaft an

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Opium fürs Volk
 
Moslems zünden Schwedens Botschaft an
 
Von Lothar Leuschen
 
Die Bilder aus Bagdad sagen eigentlich alles aus über den Unterschied der westlichen und der arabischen Welt. In Iraks Hauptstadt ist die schwedische Botschaft am Donnerstag in Flammen aufgegangen, in Brand gesetzt von einem außer Rand und Band geratenen Mob. Es herrscht Glaubenskrieg zwischen dem gebeutelten Land in Vorderasien und Schweden. Seit im Juni in Stockholm von ein paar Demonstranten ein Exemplar des Korans öffentlich verbrannt worden ist, brodelt es zwischen Bagdad und Schwedens Hauptstadt. Übergekocht ist der Konflikt dadurch, daß Schwedens Behörden eine weitere Kundgebung von zwei Männern genehmigte, auf der das heilige Buch des Islam aus Protest angezündet werden sollte. Hunderte von Demonstranten vor Schwedens Botschaft in Bagdad waren die Folge und letztlich das Feuer. Daß kein Beschäftigter der Botschaft zu Schaden gekommen ist, deeskaliert die diplomatische Auseinandersetzung zwischen beiden Staaten womöglich. Zunächst ist die Botschafterin allerdings ausgewiesen worden. Irak ist offenbar bereit, die Beziehungen zu Schweden zu kappen. Das wäre auch international ein Problem, weil der Westen aus eigenem Interesse an der Seite der Regierung in Bagdad steht, um den Einfluß des Iran auf die Region einzudämmen.

In der westlichen Welt ist es für Staat und Behörden kein besonders bemerkenswertes Ereignis, wenn Bücher zum Ausdruck des Protestes verbrannt, zertreten oder geschreddert werden. Da macht die gesetzlich verankerte Meinungsfreiheit auch vor der Bibel oder eben vor dem Koran nicht halt. Das ist ein Wesensmerkmal freiheitlicher Gesellschaften. Dennoch wäre den Behörden und der Justiz in Schweden mehr Fingerspitzengefühl zu wünschen. In leider größer werdenden Teilen der Erde ist Religion frei nach Marx eben immer noch oder wieder zunehmend Opium fürs Volk. Aufgeklärte Gesellschaften haben sich davon längst befreit. Deshalb braucht es für die Demonstration gegen militante Mullahs weder in Schweden noch sonst wo in der westlichen Welt die öffentliche Verbrennung des Korans und damit verbunden die Provokation aller, denen dieses Buch heilig ist.
 

Der Kommentar erschienen am 21. Juli 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.