Fehler im System

Deutschlands Schulen fehlen Milliarden

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Fehler im System
 
Deutschlands Schulen fehlen Milliarden
 
Von Lothar Leuschen
 
Grundsätzlich ist der Gedanke richtig, daß Städte und Gemeinden für den Schulbau zuständig sind. Die Kommunalverwaltungen und die Kommunalpolitiker wissen schließlich am besten, wo welche Schulform angeboten werden muß, weil die Bevölkerungsstruktur und die Nachfrage das erfordern. Aber dieser Bonus zieht vielerorts auch gleich einen Malus nach sich. Zwar wissen die Städte am besten, was wo fehlt, aber beschaffen können sie es so ohne Weiteres nicht. Daß der Lehrerverband jetzt Milliardensummen feststellt, die für Sanierungen von Schulgebäuden und für deren digitale Ausstattung fehlen, ist der Fehler im System. Die Länder bestimmen, was in welchen Schulformen gelehrt wird, die Städte und Gemeinden bauen die Häuser dafür. Das funktioniert dort gut, wo Kommunen über hohe Gewerbesteuereinnahmen verfügen. In den ärmeren Städten funktioniert das nicht. Und das führt insgesamt zu einer Investitionslücke, die der Deutsche Lehrerverband mit annähernd 48 Milliarden Euro angibt. Daß der Bedarf mittelfristig auch nur ansatzweise gedeckt wird, ist im aktuellen Kräfteverhältnis von Bund, Ländern und Kommunen nicht zu erwarten. Dafür ist das Geld in Deutschland zu ungleich verteilt, gibt es zu viele Städte und Gemeinden, die am Bettelstab gehen.​
 
Das Thema ist nicht neu, und die Folgen machen sich längst bemerkbar. Mit der Qualität von Gebäuden und Personalausstattung nehmen auch die Lernerfolge ab. In internationalen Bildungsvergleichen wird Deutschland durchgereicht. Das ist alarmierend für ein Land, das kaum über natürliche Ressourcen verfügt und schon immer auf seine Wissenschaftler und seine Ingenieure angewiesen ist. Die entstammten in den Blütezeiten der Republik einem Schulsystem, das auf Fordern und Fördern setzte, mit durchschaubaren Strukturen und weitgehend homogenen Klassenverbänden. Die Zeiten haben sich geändert. Dem müssen Bund und Länder Rechnung tragen. Die Budgets für Bildung sind den vergangenen Jahren viel langsamer gestiegen als der Bedarf. Wenn Deutschland nicht vollends abgehängt werden will, müssen Schülerinnen, Schüler und Schulen dem Staat deutlich mehr wert sein.​
 

Der Kommentar erschienen am 27. Juli 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.