Demokratie funktioniert
Harte Anklage gegen Donald Trump
Von Lothar Leuschen
Aneinandergereiht bilden die Vorwürfe gegen den ehemaligen und abgewählten US-Präsidenten Donald Trump die Vorlage für eine Persiflage auf politische Machtstrukturen und deren Strippenzieher. Alles klingt so unglaublich, so plump und realitätsfern, daß es gar nicht wahr sein kann. Umso erschreckender ist die 45-seitige Anklageschrift, die dem Gericht in Washington nun vorgelegt worden ist. Denn sie beinhaltet vieles von dem, was Zuschauer in aller Welt gelesen und gesehen haben. Und sie gipfelt in vier Anklagepunkten, von denen jeder Einzelne im Falle der Verurteilung bis zu 20 Jahre Haft für Trump bedeuten können. Der Fall ist beispiellos in den Vereinigten Staaten von Amerika, er ist ohne Beispiel im demokratischen Teil der Welt. Nebenbei ist die Anklageschrift ein Beweis dafür, daß Demokratie funktioniert. Ein Präsident ist kein König, hat die nun zuständige Richterin in einem anderen Fall bereits gesagt. Das ist der Kern der Gewaltenteilung. Es ist die gute Seite der Medaille.
Die Kehrseite ist ein Verfahren, das just ein Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA Fahrt aufnimmt und sich damit dem Vorwurf aussetzt, die durchaus immer noch mögliche Rückkehr Trumps ins Weiße Haus verhindern zu wollen. Das weiß die Staatsanwaltschaft freilich auch. Sie wird schon deshalb größten Wert darauf gelegt haben, dass alle Vorwürfe halt- und beweisbar sind. Die Ermittler zeichneten gewissermaßen das Protokoll einer Verschwörung nach, die sich am 6. Januar 2021 mit der versuchten Erstürmung des Kongresses erschreckend und verstörend offenbart hat. Wenn Donald J. Trump tatsächlich der Drahtzieher gewesen sein sollte, wenn er wirklich die Fäden gezogen hat, dann wird seine Karriere als Politiker und Milliardär ein jähes Ende nehmen.
Über den Großen Teich betrachtet, wird das Verfahren ein Hollywood-Spektakel, das viele in Europa mit „typisch Amis“ abtun werden. Sie seien daran erinnert, dass vor nicht allzu langer Zeit bewaffnete „Reichsbürger“ in Deutschland mit Hilfe einer Bundestagsabgeordneten der AfD die Bundesregierung stürzen und die Macht übernehmen wollten.
Der Kommentar erschienen am 3. August 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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