Schönwadige Mädchen und dünnbeinige Herren
Das war rechtzeitig! Denn wer jetzt noch überlegte, was er wohl einem Literaturfreund, einem Österreich-Liebhaber, einem Träumer oder einem, der das Lachen wieder lernen soll zu Weihnachten schenken kann, ist von jetzt an jeder Sorge ledig. Fritz von Herzmanovsky-Orlandos (1877-1954) kleine Prosa - Erzählungen und Skizzen - liegt in einer wundervollen, handlichen Ausgabe aus dem Residenz Verlag vor, setzt die FHO-Reihe anspruchsvoll fort, die wir Ihnen hier mit "Scoglio Pomo oder Rout am Fliegenden Holländer" vor einem halben Jahr vorstellen konnten. Das Buch ist wie das oben genannte in jeder Hinsicht eine Köstlichkeit: die Umschlaggestaltung von Ramona Scheiblauer und die Typographie von Ekke Wolf erweisen sich der wieder von Klaralinda Ma-Kirchner aus den Bänden IV und IX der FHO- Gesamtausgabe unter dankenswertem Verzicht auf Anmerkungen und Erläuterungen erarbeiteten Auswahl als würdig. Kaum könnte man dem Waschzettel de Bandes etwas hinzufügen, der das Buch als idealen Einstieg in die wunderbar wunderliche Welt des Fritz von Hermanovsky-Orlando apostrophiert: "...ein Kabinett von Kuriositäten, ein Sammelalbum des Sonderbaren, ein Bilderbogen des Bizarren. Sie (die Welt) ist bevölkert von Figuren, weniger Menschen - von Exemplaren, Gestalten und Ausgeburten. Was ihm einfällt ist unbedingt ausgefallen. Was er beschreibt, ist Karikatur. Kurz und gut, seine Welt gleicht einem wunderlichen Tiergarten, einem Käfig voller Narren". Da denkt man gerne mal an Hermann Harry Schmitz. Es gibt - beinahe episch lang - die Geschichte des "Apoll von Nichts" neben kleinen Geschichten um Gustav Meyrink, Onkel Toni, Beethovens letzte Magd, einen Zwerg im Nebel und etliche weitere skurrile (mitunter sehr) kurze Prosa. Eine Kostprobe: Die Wurstmaschine Ausstellung. Eine Wurstmaschine wird demonstriert. Ein Metzger schiebt ein künstliches Schwein hinein. Strom wird eingeschaltet. Ein Redner doziert. Fünf dicke Selcher mit Riesenuhrketten stehen um ihn herum. Ein Glockenzeichen. Aus der Maschine kommen Berge von Knackwürsten. Alles ist stolz. Wahrend sich alles um den Dozierenden drängt, blickt ein dicker Herr neugierig in die offene Maschine. Signal: Er verschwindet. Alles ringt die Hände. Man kann die Maschine nicht abstellen. Signal: Ein Berg Knackwürste sprudelt heraus.
Alle fallen in Ohnmacht.
Vorhang.
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Fritz von Herzmanovsky-Orlando Prosa Erzählungen und Skizzen Hrsg. von Klaralinda Ma-Kircher © 2007 Residenz Verlag 282 Seiten, Leinen, Lesebändchen 21,90 € Weitere Informationen unter: www.residenzverlag.at |