Motzki muß es machen

Wer kann den deutschen Fußball retten?

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Motzki muß es machen
 
Wer kann den deutschen Fußball retten?
 
Von Lothar Leuschen
 
So wichtig ist Fußball in Deutschland, daß ausgerechnet an jenem Tag der Bundestrainer entlassen wird, an dem die Basketball-Nationalmannschaft einen nicht für möglich gehaltenen Erfolg erkämpft und Weltmeister wird. Hätte der DFB nicht wenigsten noch den Sonntag abwarten können, um Hans-Dieter Flick am Montag zu feuern und den Basketballern wenigstens einen Tag das Zentrum des Interesses allein zu überlasssen? Nein, das hätte er nicht. Dafür korrespondiert das Auftreten der Elitekicker immer noch viel zu sehr mit dem Gemeinbefinden der Deutschen. Wenn die Nationalelf so auftritt wie seit der WM in Rußland, dann entsteht doch erst recht der Eindruck, daß Deutschland gar nichts mehr kann. Energiewende, Mobilitätswende, Organisation von Zuwanderung, Bürokratieabbau - wichtige Aufträge, aber keiner davon ist auch nur im Ansatz erledigt. Und dann tritt auch noch die Fußball-Nationalelf kraftlos, mutlos und uninspiriert auf. Das hilft einer Gesellschaft nicht, die schon so lange mit sich hadert, die weiß, daß sie ihre über Jahrzehnte gewohnte Komfortzone dringend verlassen muß. Deshalb sind der DFB, der Fußball und die Personalie Bundestrainer so bedeutend, auch wenn am Samstag nicht einmal sechs Millionen Menschen das Trauerspiel am Fernseher verfolgt haben. Gehört und davon gelesen haben danach sicher 60 Millionen Deutsche.

Deshalb muß ein Neustart her. Beginnend heute im Spiel gegen den Vizeweltmeister Frankreich. Die Geschicke der DFB-Auswahl lenkt derweil Rudi Völler. Eine Dauerlösung ist er aber nicht. Fußball made in Germany braucht wieder einmal einen Übungsleiter, der das unzweifelhaft überdurchschnittlich begabte Team um Ikay Gündogan und Joshua Kimmich an die Tugenden made in Germany erinnert. Die lauten Kämpfen, Arbeiten und einmal öfter Aufstehen als Hinfallen. Protagonisten dafür sind vorhanden und sogar verfügbar. Matthias Sammer ist so einer. Der ehemalige Paradeprofi und Erfolgstrainer mit dem Spitznamen Motzki legt seit vielen Jahren an den richtigen Stellen den Finger in die Wunde. Doch wer A sagt, muss auch B sagen, Nein sagen, kann er eigentlich nicht.
 
Der Kommentar erschienen am 12. September 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.