Zerstören ist nicht Protest

Die AfD ist in vier Ostländern stärkste Partei

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Zerstören ist nicht Protest
 
Die AfD ist in vier Ostländern stärkste Partei
 
Von Lothar Leuschen
 
Das Drama geht weiter. Jetzt auch in Brandenburg. Ein Jahr vor der Wahl in drei ostdeutschen Bundesländern ist die Alternative für Deutschland (AfD) in den Umfragen nun deutlich die stärkste Partei. In Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wären laut mehreren Umfragen mehr als 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler bereit, der AfD ihre Stimme zu geben. Die Reaktion im demokratischen politischen Raum ist erwartbar. Zum Teil wird versucht, der AfD den Wind dadurch aus den Segeln zu nehmen, daß endlich eine organisierte, transparente und begrenzende Zuwanderungslogik erarbeitet wird. Zum anderen werfen sich Regierung und Opposition gegenseitig vor, die rechtsextreme Partei stark zu machen.

Doch das allein erklärt den Höhenflug nicht. Denn einiges spricht dafür, daß die Ursache der Umfrage-Debakel im Osten eine andere ist als im Westen, wo der AfD für die Wahl in Hessen nun 17 Prozent Wähleranteil vorhergesagt wird. Nach zwölf Jahren Nazidiktatur und 45 Jahren Kommunistenherrschaft ist Demokratie in den neuen Bundesländern nicht gewachsen, sondern von den alten Bundesländern verordnet worden, verbunden mit Identitätsverlust und sozialer Unsicherheit. Es verwundert daher nicht, daß viele der AfD deren Demokratiefeindlichkeit nachsehen. Im Westen sind dagegen nicht nur, aber vermehrt jene Bürger mit Höcke und Konsorten unterwegs, die mit Weltoffenheit und bunter Gesellschaft noch nie etwas im Sinn hatten. Die vermeintliche Salonfähigkeit der AfD hat sie offenbar ermuntert, sich zu zeigen.

Die potentiellen AfD-Wähler in Ost und West eint jedoch, daß sie das Risiko in Kauf nehmen wollen, mit einer EU-, Nato- und USA-feindlichen AfD an der Macht alle Gewißheiten aufs Spiel zu setzen und damit auch den Wohlstand einer Nation, die wie kaum eine andere auf Offenheit und faire Partnerschaft angewiesen ist. Deshalb ist eine Stimme für die AfD auch kein tauglicher Protest gegen die etablierten Parteien, sondern letztlich Beihilfe zur Zerstörung eines zwar reformbedürftigen, aber dennoch über Jahrzehnte erfolgreichen Systems.
 
 
Der Kommentar erschienen am 15. September 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.