Kultur kann´s

... wenn alle mit aller Kraft an einem Strang ziehen

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Kultur kann´s
 
... wenn alle mit aller Kraft an einem Strang ziehen
 
Von Lothar Leuschen
 
Mit atemberaubend ist vermutlich untertrieben beschrieben, was das Von der Heydt-Museum seinen hoffentlich Zehntausenden von Besuchern in den nächsten Monaten präsentiert. Beinahe 170 Gemälde, Skizzen und zwei Skulpturen von Pablo Picasso und Max Beckmann, zwei der wohl wichtigsten Maler des 20. Jahrhunderts, haben die Ausstellungsmacher um Roland Mönig und Antje Birthälmer zusammengestellt. Etwas, das in Zeiten wie diesen eigentlich nicht mehr möglich ist angesichts der Millionenkosten, die so ein Unterfangen normalerweise verursacht. Aber das Von der Heydt-Museum ist seit vielen Jahren immer wieder zu solchen Kraftakten fähig, weil in der Wuppertaler Kulturlandschaft eben nicht alles normal ist. Zum Glück. In dieser Stadt ist es Tradition, daß kunstinteressierte Unternehmer dem Museum Gemälde schenken, die auch schon einmal einige Millionen Euro kosten können, wie jüngst das Else Lasker-Schüler- Bild des Malers Karl Schmidt-Rottluff. Und vieles wäre obendrein nicht möglich, gäbe es nicht beispielsweise die Stiftungen von Lore und Werner Jackstädt sowie von Heinz-Olof Brennscheidt.
 
Aber selbst all diese wohlmeinende und finanziell bedeutende Unterstützung braucht Geist und Haltung, die das Bestmögliche daraus machen. Beides ist in Wuppertal in hohem Maße vorhanden. Es ist sichtbar geworden im Skulpturenpark von und mit Tony Cragg, der diese Stadt so wunderbar schmückt. Es wird sichtbar werden im neuen Domizil des Pina-Bausch-Ensembles im alten Schauspielhaus an der Kluse. Es ist daran sichtbar, daß eine wahrlich arme Stadt es sich glücklicherweise immer noch leisten kann, Schauspiel, Oper und Orchester auf gehobenem Niveau anzubieten. Und es ist immer wieder ein Erlebnis, das Von der Heydt-Museum zu besuchen, nicht nur in diesen Tagen, aber in diesen Tagen ganz besonders.
 
Denn dem Museumsteam ist gelungen, was sich viele Wuppertaler so sehr für ihre ganze Stadt wünschen: konstruktive Kooperation. Die Ausstellungsmacher haben Wuppertals Werke von Picasso und Beckmann zusammengestellt und von wenigen Leihgaben unter anderem aus New York und Basel abgesehen mit Werken aus dem Bestand des Museums Sprengel in Hannover ergänzt. So ist eine fulminante Werkschau zweier so unterschiedlicher und doch ähnlicher Giganten der bildenden Künste entstanden. Es ist eine Ausstellung geworden, die den Atem des Betrachters manchmal stocken läßt und die wieder einmal so konzipiert ist, daß sie den Kunstfachmann ebenso erreicht wie den Laien. Zusammenarbeit macht so etwas auch in harten Zeiten möglich. Uneitle Kooperation zum gleichen Nutzen aller Beteiligten setzt Kräfte frei, die sonst viel zu oft von Verzagtheit und Mutlosigkeit gefangen gehalten werden. Kultur kann’s. Das sollte Schule machen. Je weniger Gestaltungsspielraum eine Stadt allein hat, desto notwendiger wird das.
 
Auch aus diesem Grund sei allen Entscheidungsträgern in Behörden, im Rathaus und im Stadtrat ein Besuch dieser Ausstellung ans Herz gelegt. Sie zeigt, daß in schwierigen Zeiten mehr geht, wenn die handelnden Personen sich trauen, mit aller Kraft am selben Strang zu ziehen.
 
Der Kommentar erschienen am 25. September 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.