Löffelpoesie
Beim Abräumen des Tisches ersparte ich mir einen Gang, indem ich den kleinen Löffel in den Hals einer Mineralwasserflasche steckte und so eine Hand frei bekam. So konnte ich mit der freien Hand größere Küchenutensilien transportieren. Haben sie das schon mal gesehen, wenn der kleine Löffel wie ein Uhrenpendel in der leeren Mineralwasser-Flasche hin und her schwingt? Es ist so ein friedliches Bild. Der kleine Löffel kriegt sich gar nicht mehr ein vom Schaukeln und verbreitet dabei so viel Anmut und Gelassenheit. Löffel in Flaschen sind sowieso schön anzusehen. Es ist so schade, daß man inzwischen weiß, daß das Hineinschieben eines großen Löffels in die geöffnete Sektflasche die Perlage nicht automatisch länger erhält. Man muß dazu einen wärmeableitenden Silberlöffel nehmen, und der Erfolg der Aktion ist nur ein kurzes Hinausschieben der Perlenflucht. Zum Glück ist das Hineinstecken des kleinen Löffels in eine leere Mineralwasserflasche nicht an irgendwelche Hoffnungen gebunden. Man läßt den Löffel schaukeln und fühlt sich wohl dabei. Ist es das verneigende, das höfliche, das wir im Alltag oft vermissen, was uns an diesem Beitrag so anzieht? Ist es das Schwebende, das Freigeistige, das wir selbst oft erreichen wollen, das uns diese Aktion so vertraut macht. Ist es das sinnlose, das unnütze, daß wir selbst oft nicht ausleben, das uns zwingt, diesem Vorgang zu folgen und ihm zu vertrauen. Es will nichts. Es ist einfach da. Ein Produkt des Zufalls und des Vertrauens darauf, daß wir irgendwann nicht nur seinen Sinn erkennen, sondern es auch so einsetzen werden, wie Gott es uns schon vorausschauend geschenkt hat. Entschuldige, wir waren blind und haben nicht gewußt, was uns da vor Augen schwebte. Die Nagelfeile wurde so lange Zeit unterschätzt und nur als Türstopper für Katzenklappen unter Wert verkauft. Wie lang haben wir gebraucht, um die Funktionen des Lochers optimal einsetzen zu können. Auch ich nutzte ihn nur als Briefbeschwerer und Handschmeichler. Auch der Fleischwolf wurde zuerst nur als Folterinstrument im Justizwesen eingesetzt, bis man seine unersetzbare Funktion bei der Frikadellenherstellung erkannte. „Uns hat ja keiner was gesagt“, hörte ich später oft von den Betreibern als Entschuldigung. Ich weiß noch, wie ich das orangene Briefmarkenannäßkissen der Post dafür mißbraucht habe um Fugen zu säubern. Wie dumm wir alle mal waren.
© Erwin Grosche
Erwin Grosches Web-Seite: www.erwingrosche.de
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