Die falschen Wörter
In diesen Tagen ist wieder viel von Bildung die Rede, obwohl die in den meisten Fällen gar nicht gemeint ist. Die Experten aus den Instituten für die phantasielose Überwachung des Lernens sorgen sich ja nicht über die Zahl der Menschen, die sich gebildet über Goethe und Einstein unterhalten können. Ihnen geht es nicht um Bildung, sondern um weniger, nämlich um Ausbildung, was sie aber ungern zugeben und weshalb sie sich als Bildungsforscher präsentieren. Wenn sie das wirklich wären, wüssten sie, daß es nicht auf Aus-, sondern - im Gegenteil - auf Einbildung ankommt. Denn muß nicht derjenige, der etwas lernen will, die Informationen in sich hinein holen? Er muß sie in seinem Kopf zu dem Bild machen, mit dem er die Welt und die Menschen ansieht. Liefert der Schulunterricht - wörtlich genommen - nicht mehr Möglichkeiten zur Einbildung als Chancen zur Ausbildung? Warum bezeichnen wir jemanden als eingebildet, wenn wir ihn schlecht machen wollen, statt umgekehrt zu sehen, daß nur derjenige sich ein Bild von der Gegenwart machen kann, dem das entsprechende Einbilden gelungen ist? Und nebenbei kann der Hinweis gegeben werden, daß „Information“ auf dasselbe deutet, nämlich eine Form, die nach innen gekommen ist. Wer informiert ist, ist - wörtlich verstanden - eingebildet und somit handlungsfähig. Warum müssen Menschen zwar informiert sein, während sie auf zugleich nicht eingebildet sein dürfen?
Die Vorsilben von „Ein“ und „Aus“ lassen sich auch gut vertauschen, wenn man hinter ihnen einen „Fall“ konstruiert. Wenn jemand eine gute Idee hat, sagen wir, er oder sie hatte einen guten Einfall. Die Frage, woher diese Eingebung gekommen sein kann und wem sie zu verdanken ist, konnte man früher mit dem Wort „Gott“ beantworten. Doch dieser unser Gott wohnt schon lange nicht mehr über dem Himmelszelt. Er wohnt in uns, und wenn überhaupt, dann muß ein sich plötzlich einstellender und beglückender Gedanke als Ausfall betrachtet werden. So empfinden wir es doch auch. Ein Ausfall kommt zustande, wenn die Einbildung ein Ziel für ihn liefert. letzt fehlt nur noch sein Ausdruck - das ist zumindest mein Eindruck.
© Ernst Peter Fischer
Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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