Gewichtiges Pfand

Der Kanzler stellt sich an die Seite Israels

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Gewichtiges Pfand
 
Der Kanzler stellt sich an die Seite Israels
 
Von Lothar Leuschen
 
Bundeskanzler Olaf Scholz ist nicht der Mann für Basta-Sprüche. Der hanseatische Sozialdemokrat ist auch nicht das, was sich die Menschen üblicherweise unter einer starken Führungspersönlichkeit vorstellen. Der deutsche Regierungschef kommt mehr als Moderator daher, versucht, in Gesprächen und Verhandlungen die Enden der Seile miteinander zu verknüpfen. Umso bemerkenswerter war am Donnerstag die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum terroristischen Massaker der palästinensischen Hamas an überwiegend jungen Israelis am vergangenen Samstag. Deutlicher hätte Scholz die Entmenschlichung der Mörder kaum formulieren können. Und ebenso unmißverständlich war die Ankündigung, daß der Massenmord Folgen auch für die Palästinenser im Gazastreifen haben wird. Jetzt stellt Deutschland alles auf den Prüfstand. Jeder Cent, der über die Vereinten Nationen in die Region  fließt, jedes Wort, das von Palästinenser-Vertretern dort  gesprochen wird, unterliegt fortan einer kritischen Prüfung. Wenn das nicht vorher schon geschehen sein sollte, wird es dafür nun auch allerhöchste Zeit. Mit seiner eindeutigen Verurteilung des Massakers hat Scholz gleichzeitig auch allen Relativierern den Wind aus den Segeln genommen. Die Hilfe für die Menschen im Gazastreifen steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt, daß sie Israel nicht schadet, im besten Fall sogar nutzt. Für die Verhältnisse des Politikers Olaf Scholz klingt das sehr nach Basta.

Das gilt ebenso für die Interpretation, die Bundeskanzler Scholz für die „deutsche Staatsräson“ formuliert hat, durch die Deutschland mit dem Existenzrecht und der Sicherheit des Staates Israel ewig und aufs Engste verbunden ist. Sie ist ebenso unumstößlich wie umfassend und grenzenlos. Das ist ein wichtiger Hinweis. Denn der Gegenschlag der Israelis gegen die terroristische Hamas hat Sprengkraft, wird lange dauern und hat das Potential, sich auszudehnen. Schon ist von einem Mehrfrontenkrieg die Rede, der größte Solidarität und breiteste Unterstützung gerade von Deutschland fordern könnte. Nie seit der Gründung Israels wog das Pfand „Staatsräson“ für Deutschland schwerer.
 

Der Kommentar erschienen am 13. Oktober 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.