Die Angst vor dem Klon

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Die Angst vor dem Klon
 
Anfang 2018 wurde gemeldet, daß es in China gelungen ist, Affen zu klonieren, also genetisch identische Kopien dieser Tiere anzufertigen. Eine besorgte Öffentlichkeit wird fragen, ob man nach dem erfolgreichen Klonieren von Schafen, Kätzchen und Affen dazu übergehen wird, auch Menschen anzufertigen, die als Klone leben. Läßt sich solch ein Bemühen rechtfertigen? Oder gibt es Risiken, solche Versuche gar nicht erst zu unternehmen? Warum so kann man fragen - sollte nicht jemand, der mit genügend Geld ausgestattet wird, versuchen, Menschen zu klonen? Irgendwo wird man schon ein Laboratorium hinstellen, wobei früher über den brasilianischen Urwald und heute über das chinesische Hinterland spekuliert wird. Was kann denn beim Klonen von Menschen schief laufen?
Natürlich könnte es sein, daß die erwünschten Merkmale des Klons keineswegs vorhersehbar von Genen abhängen und eine Umwelt benötigen, zu denen Eltern gehören, die dann ebenfalls kloniert werden müßten. Zudem könnte ein zweites Risiko darin bestehen, daß der Klon zwar in der alten Zeit die alten Aufgaben, in der neuen Zeit aber nicht mehr die neuen Aufgaben bewältigen könnte. Wichtiger ist aber die Einsicht, daß eine mit identischen Menschen bevölkerte Erde überhaupt nichts Verlockendes bietet. Es mag zwar auf den ersten Blick witzig erscheinen, Albert Einstein und Marilyn Monroe plötzlich in größeren Mengen herumspazieren zu sehen - die beiden werden vor allem genannt, wenn Meinungsforscher nach klonwürdigen Personen fragen -, aber Menschen in tausenden von Exemplaren zu sehen, bleibt bedrückend. Unsereins faßt nämlich Entsetzen beim Anblick einer Horde von Serienprodukten, und der Grund dafür liegt in dcm, was man als Einzigartigkeit der menschlichen Seele bezeichnct hat. Menschen, die uns nur massenhaft und damit seelenlos entgegen treten, wirken wie kalte Maschinen, mit denen man machen kann, was man will. Diese Entpersönlichung kann studicren, wer Rassenhaß oder Fremdenfeindlichkeit ins Auge faßt oder sich fragt, warum es Menschen so leicht fällt, andere Menschen dann zu töten, wenn sie in einer Uniform erscheinen und nicht als Individuen zu erkennen sind. Jede gesichtslose Masse ist unbeseelt und kann als Kollektivfeind zur Bestie erklärt werden Mit anderen Worten, der geklonte Mensch wird gar nicht mehr als Mensch wahrgenommen, und wenn er uns begegnet, bringen wir ihn wahrscheinlich um. Ich selbst hätte vermutlich die meiste Angst vor meinem Klon.

 
© Ernst Peter Fischer

Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.