Die Wunder von Wombat, Narwal, Elefant & Co.

Katherine Rundell – „Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt“

von Frank Becker

Die Wunder von Wombat, Narwal, 
Elefant & Co.
 
Ein Tor zum Verständnis der Tierwelt
 
Der Mensch ist trotz seiner Milliardenzahl und seiner angeblich überlegenen Intelligenz nur ein plumper Geselle ohne große Bedeutung im Reich der belebten Natur, die er nur durch seine brutale und rücksichtslose Ausbeutung scheinbar beherrscht. Apparate sind die Krücken, mit denen er durch eine wunderbare, zugleich wundersame, verblüffende Natur humpelt, die ihm im Kern weit überlegen ist und ihn auch absehbar überleben wird.
Denn auch nicht die feinste moderne Technik wäre imstande, die bewundernswerten  Eigentümlichkeiten zu erreichen, die das Tierreich aufzubieten hat und durch die Tiere dem Menschen im direkten Vergleich haushoch überlegen sind.
 
Es gibt nämlich Haie, die schon zu Shakespeares Zeiten gelebt haben, also Hunderte Jahre alt werden (ein Traum des Menschen), Giraffen, die ihren Blutkreislauf regulieren können, Mauersegler, die sich in Wolken waschen und im Flug schlafen, Lemuren, die die Teilung der Urwelt Gondwana überlebt haben, Einsiedlerkrebse, die bei Platzbedarf umziehen und sogar ihre Häuser renovieren und das Einhorn der Meere, den Narwal. Sie alle und zahllose andere Tierarten mehr sind vom Menschen, nicht von der sie umgebenden Natur nachhaltig bedroht, weil Menschen in ihrer Gier nach dem Besonderen gerne auch das Besondere ausrotten und im grenzenlosen Kampf um Land, Bodenschätze und Gewinn der Tierwelt ihre Existenzgrundlage rauben.
Mit dem Wombat, dem plump wirkenden australischen Felltier, das schneller und ausdauernder ist als Usain Bolt, eröffnet Katherine Rundell ihr Buch mit 22 Porträts bedrohter Tierarten. Mit einem feinen Gespür für unterhaltsame, zugleich fesselnde Geschichten und kuriose Anekdoten ermöglicht die preisgekrönte Autorin in diesen 22 eindrücklich recherchierten Porträts einen neuen, nachdenklichen Blick auf die hinreißend seltsame Schönheit unserer Erde und ihrer natürlichen Bewohner. Da gibt es den Elefanten, das größte lebende Landtier, dessen Rüssel mit seinen 40.000 Muskeln ein Universalwerkzeug darstellt (der Mensch hat im ganzen Körper nur 650 Muskeln), mit dem er Wasser über eine Entfernung von drei Kilometern riechen kann und der Töne in Frequenzen erzeugt, die für uns nicht hörbar sind, die aber von Artgenossen über Hunderte Kilometer mit den Füßen „gehört“ werden können. Das „Schuppentier“ Pangolin, ein Relikt der Urzeit, das schon vor 80 Millionen Jahren existierte (wir erst seit 6 Millionen Jahren!), wird in China wegen seiner angeblich medizinisch wertvollen Schuppen – ein nicht auszurottender Aberglaube, wie der vom Horn des Nashorns und dem des Narwals – gefangen, gequält und gegessen. Erinnern wir uns: Möglicherweise hat der chinesische Pangolin-Handel die Covid-Pandemie ausgelöst – eine Strafe der Natur?
 
Katherine Rundell hat mit ihren herrlich erzählten Geschichten über diese und andere Tierarten wie den Thunfisch, die Fledermaus oder den Goldmull ein Tor zum Verständnis aufgestoßen, durch das man bei der Lektüre mit Erstaunen und schließlich Ehrfurcht schreitet.
Ein besonders empfehlenswertes, wertvolles Buch, das unsere Auszeichnung, den Musenkuß verdient hat.
 
Katherine Rundell – „Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt“
und andere Kuriositäten aus dem Tierreich
Übersetzung aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher - Illustrationen: Talya Baldwin
© 2023 Diogenes Verlag, 208 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag, zwei Lesebändchen - ISBN: 9783257072648
25,- €
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch