Der Funke springt nicht über, aber das Historiengemälde beeindruckt

„Der Schatten von Caravaggio“ von Michele Placido

von Renate Wagner

Der Schatten von Caravaggio
L’ombra di Caravaggio / Italien / 2022

Regie: Michele Placido
Mit: Riccardo Scamarcio, Louis Garrel, Isabelle Huppert, Michele Placido u.a
 
Der Künstler als Mörder – unter diesem griffigen Klischee hat man das Interesse an Caravaggio (1571-1610) wach gehalten, obwohl er nach unseren Begriffen „nur“ ein Totschläger war, der im Duell seinen Gegner erschlagen hat. Zu seiner Zeit fast legitim, aber für einen Mann, der sich ununterbrochen im Dunstkreis der Kirche befand, dennoch verheerend.
Jedenfalls ranken sich um das Leben dieses außergewöhnlichen Künstlers der als Maler bis heute fesselt, viele Mythen, durch die man aus der Distanz von Jahrhunderten wohl nicht zur einzigen Wahrheit durchdringen kann. Versucht wird es immer wieder, Derek Jarman widmete ihm einen Film, nun ist Caravaggio erneut im Kino.
 
Michele Placido, bekannt als ein markantes Gesicht des italienischen Kinos, hat diesmal sein Interesse an einem Stoff ausgeweitet und fungiert als Regisseur des Films, an dessen Drehbuch er auch mitgeschrieben hat und wo er sich selbst die Nebenrolle eines Kardinals zuteilte. Die Geschichte umkreist nicht nur den Künstler Caravaggio, der sich schon die Gunst des Vatikans verscherzt hatte, als er für seine Madonnen schöne Prostituierte als Modell nahm, sondern auch den Mann, der von der Politik des Vatikans regelrecht „eingekesselt“ wird.
Der titelgebende „Schatten“ ist real, ein Priester als Inquisitor, der ihn umkreist, um seine Schuld zu beweisen. Dabei werden vor allem jene Kinobesucher die Optik des Films genießen, die Caravaggios Werke kennen – denn hier werden mit flackernden Lichteffekten die Licht- und Schatten-Wirkungen, die Caravaggios Bilder so eindrucksvoll machen, für die Leinwand beschworen.
Der Film blendet in brutale (und angesichts der Macht der Kirche lebensgefährliche) Zeiten, in denen ein Künstler dennoch einen riesigen Stellenwert hatte (!!!). So bewundern auch die Kirchenmänner die Kunst des Malers („Qual grande pittore!“ „Immenso talento!“), können sie aber angesichts der vielen Nackten auch nicht billigen…
Man erlebt Caravaggio bei der Arbeit und bei den Frauen, die Kirchenmänner bei ihren Diskussionen, die Caravaggio verbundene Marchesa bei ihrer Schwärmereien und den Schatten bei seinen düsteren Aktionen. Wenn er eine von Caravaggios Liebhaberinnen beschimpft, schleudert sie ihm entgegen: „Ich bin vielleicht eine Hure, aber er macht mich zur Madonna!“
 
Als internationale Starpower taucht in der Handlung Isabelle Huppert in der Rolle der Marchesa Costanza Sforza Colonna auf (eine historische Figur), die durch ihre Herkunft hochrangig genug war, um auch gegen den Vatikan eine schützende Hand über den Künstler halten zu können (abgesehen davon, daß sie ihm auch in „Fleischeslust“ verbunden war…).
Hauptdarsteller Riccardo Scamarcio strahlt all die Kraft und Sinnlichkeit des nicht zu bändigenden Künstlers aus, während der Franzose Louis Garrel die gewisse asketische Aura eines Fanatikers auf der Jagd vermittelt. Da stehen zwei schöne Männer einander gegenüber.
 
Man kann den Film als eine Art Sittenbild nennen, das hier beschworen wird, und zweifellos war man mit Begeisterung für das Thema bei der Sache, bloß, daß das Drehbuch auf der Stelle tritt, zu wenig Substanz für die knapp zwei Stunden Spielzeit hat. Der Funke springt nicht über, aber das Historiengemälde beeindruckt optisch wie inhaltlich.
 
 
Renate Wagner