Was noch zu bereden wäre
Deutschland und der Islam
Von Lothar Leuschen
Die Islamkonferenz steht im Zeichen des Antisemitismus. Die eklatant angestiegene Zahl von Anschlägen auf jüdische Einrichtungen und Übergriffen auf Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland hat die Politik aufgerüttelt. Was in den Wochen nach dem brutalen Überfall von Hamas-Terroristen auf israelische Zivilisten auch in Deutschland geschah, gibt Anlaß zu größter Sorge. Knapp 80 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur sitzen Juden in Deutschland wieder auf gepackten Koffern. Sie fühlen sich nicht mehr sicher in dem Land. Dabei hat es Judenfeindlichkeit in Deutschland immer gegeben, von Rechtsextremen, von Neonazis. Deren irren Haß hatten sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die jüdische Gemeinde im Griff. Nach dem 7. Oktober ist aber eine noch größere Bedrohung hinzugekommen. Deutschland und vor allem die hier lebenden Juden mußten lernen, daß in Teilen der Gesellschaft ein Ungeist wohnt, den die Hamas mit dem Terroranschlag aus der Flasche gelassen hat. Islamistisch motivierter Judenhaß, über Jahrzehnte offenbar nur unterdrückter Antisemitismus, bricht sich seither Bahn und führt dazu, daß Menschen jüdischen Glaubens in Angst und Schrecken leben.
Vor diesem Hintergrund sucht die 2006 ins Leben gerufene Konferenz nun einen Modus Vivendi. Sie sucht Vereinbarungen, auf deren Basis Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens in Deutschland zusammenleben können. Und dabei greifen die Maßnahmen deutlich zu kurz. Gut drei Wochen nach dem Blutbad in Israel von Moslems in Deutschland ein eindeutiges Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und gegen Antisemitismus zu fordern, ist allenfalls naiv. Die Islamverbände haben es unmittelbar nach dem Grauen vom 7. Oktober verpaßt, zu dokumentieren, daß sie verstehen, was es heißt, Teil der bundesdeutschen Gesellschaft zu sein. Daran ist nun nichts mehr zu ändern. Und Deutschland hat es seinerseits in den vergangenen Jahrzehnten verpaßt, Moslems das Gefühl zu geben, dazuzugehören. Da ist noch einiges zu bereden. Die diesjährige Islamkonferenz hat nur dann einen Sinn, wenn sie dazu den Auftakt macht.
Der Kommentar erschien am 22. November in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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