Die berühmten Einfranksätze 2023
Gleis 1: Gestern bin ich auf Gleis 1 in Paderborn losgefahren und kam auf Gleis 8 in Hannover an, sitze aber im gleichen Zug. Wie ist das möglich? Das ist wie mit Petra auf eine Party gehen und mit Paula im Bett landen. Das ist doch nicht das gleiche oder ist es das selbe? Ich habe auch schon erlebt, daß mein Zitronenspülmittel mehr nach Zitrone riecht, als die Zitronen die ich mir im Kaufland im Südring gekauft hatte. Kann sich da nicht das Zitronenspülmittel etwas zurücknehmen? Verwirrend war auch, daß der Zitronenduft des Spülmittels in einer blauen Flüssigkeit verabreicht wurde. Gehört die blaue Flüssigkeit nicht dem Geruch von Pflaumen? Wie lange können wir es uns noch leisten die Wirklichkeit so zu kopieren, daß die Kopie mehr unseren Erwartungen entgegen kommt als das Original? Ist das Cover leichter zu verdauen als der Hit? Wenn wir der Wirklichkeit entfliehen, indem wir sie einfach nachstellen, haben wir bald keinen Ort der Wahrheit mehr und glauben daß Kühe lila sind. Es soll jetzt auch Duftbäume geben die den „Büroduft“ nachstellen können. Mein Nachbar hat den Duftbaum „Volle Züge“ in seinem Auto hängen. Damit er dort nicht auf das Gefühl von ungelüfteten Waggons verzichten muß. Die Wirklichkeit ist die einzige die wir haben, allen Abklatsch davon sollten wir den Träumen überlassen, sonst werden wir wahnsinnig.
Erstberührungen: Ich kann einen Apfel nicht genießen wenn sich dort vorher eine Fruchtfliege breit macht. Ich bin auch penibel beim Lesen meiner Zeitung und kann es nicht leiden, wenn sie ein anderer vor mir durchblättert und sich Notizen macht. Wahrscheinlich erzählt er mir dann über Ereignisse in der Welt, die ich selbst gerne als erster erfahren hätte. Ich weiß, daß man einen Hund nicht vor einem Menschen begrüßen darf. Das verletzt den zurückgewiesenen Menschen und bringt den Hund in eine Position, die ihm nicht zusteht. Natürlich wäre alles einfacher, wenn sich der Mensch mehr freuen würde, wenn man ihn begrüßt.
Die Bedrohung durch das Glück: Jetzt hatte er schon drei getroffen, die freundlich zu ihm waren: Ingrid hatte ihn umarmt, das Pärchen lachte ihn an und sogar der Fahrradfahrer fuhr wohlwollend um seinen Hund herum. „Jetzt muß ich aufpassen“, dachte er, „sonst wird das Glück eifersüchtig.“ Man sollte sich in dem Glück, das man hat, nicht zu sehr aalen, sonst denkt das Glück doch gleich, dem verpassen wir einen Denkzettel. Natürlich wunderten sich alle, als er anfing sich selbst zu ohrfeigen, aber so konnte man der Bedrohung durch das Glück entgehen. Zu viel Glück macht feige.
(weitere folgen)
© Erwin Grosche
Erwin Grosches Web-Seite: www.erwingrosche.de
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