Himmel oder Hölle?

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Himmel oder Hölle?
 
Dieser Text erlaubt es sich, persönlich zu sein und von der Reise nach Neuseeland zu erzählen, die der Verfasser mit einem Teil seiner Familie - wir waren insgesamt sieben Personen, zu denen drei Kinder zählten - zum Jahreswechsel unternommen hat. Er befindet sich daher schon 12 Stunden länger im neuen Jahr, aber das nur am Rande. Neuseeland ist für einen historisch orientierten Menschen unter anderem reizvoll, weil man im Mittelalter den Ort der Hölle finden und angeben wollte. Wo der Himmel war, das wußte und sah man - nämlich oben, wobei man dort neben dem Sky, wie man auf Englisch unterscheiden kann, auch den Heaven verortete, also den Aufenthaltsort Gottes. Aber wo war die Hölle? Sie mußte unten sein, und so meinte zum Beispiel der Dichter Dante, sie sei auf der Rückseite der Erde. Von Neuseeland wußte man im 14. Jahrhundert nichts, und selbst wenn schon seit der Antike bekannt war, daß die Erde in Gestalt einer Kugel existiert, so nahmen die Menschen doch an, sie befanden sich permanent oben auf der Kugel. Noch mußten sie auf Kopernikus warten, der ihnen erst im 16. Jahrhundert erklären würde, daß sie die Hälfte ihres Lebens mit dem Kopf nach unten im Weltall hängen. Auf der Rückseite der Erde konnte kein Mensch leben, und also gab es dort Platz für die Hölle. Wer heute die Strapazen einer doch langen - mehr als 18.000 Kilometer langen - Reise auf sich nimmt, sollte allerdings nicht erwarten, in was für einer Hölle auch immer anzukommen. Und im Lichte betrachtet meinte ich eher in dem dazugehörigen Gegenstück gelandet zu sein, also im Himmel. Dieser Eindruck machte sich nicht nur durch den herrlichen Sonnenschein breit, der die Familie in Neuseeland begleitete, nachdem sie dem Wintergrau der Heimat entflohen war. Dieser Eindruck prägte sich dem Besucher durch das erste Poster auf, das ihn auf dem Flughafen von Queenstown begrüßte, auf dem er eingetroffen war. „Our glass is half full“, stand da in großen Lettern zu lesen, „and the first Half was excellent.“ „Unser Glas ist halb voll“, wie man übersetzen könnte, „und die erste Hälfte war köstlich.“ Ein beneidenswertes Volk, das seine Gäste so begrüßt und auf einem zweiten Plakat zeigte, wie nett man miteinander umgeht. Dort stand zu lesen, „Blondinenwitze sind deshalb kurz, damit Männer sie besser behalten können.“ In der Hölle spricht man so auf keinen Fall. Man kam sich jetzt eher wie im Himmel vor, auch wenn man sich fragte, ob es dort etwas zum Lachen gibt.
 
 
© Ernst Peter Fischer

Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.