Wettbewerb der Systeme
Trump gewinnt Abstimmung in Iowa
Von Lothar Leuschen
Sollte noch irgendwer geglaubt haben, daß die Wahlberechtigten in den USA das Schlimmste noch würden verhindern wollen, dann hat Iowa ihn eines Besseren belehrt. Deutlicher konnte das Ausrufezeichen nicht sein, das die Wähler der Republikaner im ersten Schritt der Kandidatenkür für die Partei gesetzt haben. Donald Trump ist die Nummer 1 der Konservativen. Und das nicht wegen, sondern trotz der historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Das Ergebnis für den zweifelhaften Immobilien-Mogul spricht schon deshalb Bände, weil es ihm gelungen ist, seine Klientel auch bei minus 25 Grad zu mobilisieren. Das haben seine Konkurrenten Nikki Haley und Ron DeSantis offenkundig nicht geschafft. Die Deutlichkeit, mit der die beiden von Trump abgehängt worden sind, sollte nun auch den letzten europäischen Politiker wecken, der es mit Demokratie und Weltoffenheit hält. Gerade für die Export-Nation Deutschland bedeuten die Signale aus Übersee Alarm. Wenn Trump weiter so durch die Vorwahlen seiner Partei fegt, dann ist sein Wiedereinzug ins Weiße Haus keine Sensation mehr, zumal der tattrige Amtsinhaber Joe Biden ein schwacher Gegner ist.
Also wird Deutschland sich neu auf einen alten, ungeliebten Partner einstellen müssen. Donald Trump hat in seiner ersten Amtszeit unmißverständlich klar gemacht, daß ihm die Nato, Europa und auch Deutschland egal sind. Sicherheitsgarantien interessieren ihn nicht. Beziehungen sind nur dann gut, wenn sie für Trump und die USA gut sind. Das bedeutet für Europa und dessen Führungskraft Deutschland, sich endlich zu emanzipieren. Die Europäische Union hat nicht mehr allzu viel Zeit, eine eigene Sicherheitsarchitektur zu konstruieren. Ebenso läuft die Uhr für eigenständige Positionen der Staatenunion in der Außenpolitik. Anscheinend ist es wirklich, wie Chinas Machthaber Xi es vorhergesagt haben soll: Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Autokraten. In China, in Rußland, in der Türkei herrschen sie bereits, in den USA spricht einiges dafür, daß es so kommt. Wer Freiheit, Gleichheit und Toleranz retten will, der rüstet sich deshalb besser für den neuen Wettbewerb der Systeme – mit Argumenten, auch militärisch.
Der Kommentar erschien am 17. Januar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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