Fridays for Future
Seit ein paar Monaten gehen Schülerinnen und Schüler auf die Straße, um darauf aufmerksam zu machen, daß die Regierenden ihre Versprechen hinsichtlich der Klimapolitik nicht einhalten und dabei die Zukunft der Kinder verspielen. Das heißt, die Mitglieder der Altmänner- und Altfrauenriege, die die Macht in Händen halten und gerne verkünden, sie wüßten, wie man die Zukunft in den Griff bekommt, haben selbst ja keine Zukunft mehr, die sie verspielen könnten. Eigentlich müßte sie das in die Lage versetzen, mutige Entscheidungen zu treffen, aber das Gegenteil ist der Fall. Seit dem Pariser Abkommen von 2015, das fast 200 Staaten ratifiziert haben, ist nicht nur fast nichts Konkretes auf den Weg gebracht worden, die USA sind sogar aus dem Klimaabkommen ausgestiegen, und so bleibt den Kindern, um deren Zukunft es geht - so wird jedenfalls Nachhaltigkeit definiert -, nur die Wahl, auf die Straße zu gehen, was sie in erstaunlicher Zahl machen. Nun sollte man denken, daß die Politiker sich über ein Engagement der Jugend freuen und die Aktion „Fridays for Future“ auf ihre Fahnen schreiben, aber das Gegenteil ist der Fall. Einige der besonders klugen Mächtigen meinen, den Kindern Schulschwänzen und damit eine Pflichtverletzung vorwerfen zu müssen, und sie übersehen dabei, daß die Proteste der Machtlosen sich gerade gegen die Pflichtvergessenheit der Gewählten richtet, die sich vor allem dadurch auszeichnen konnten, daß sie Versprechen gebrochen und Regeln verletzt haben. Die streikenden Schülerinnen und Schüler demonstrieren keine radikale Zügellosigkeit, sondern eher das Gegenteil, nämlich eine intelligente Diszipliniertheit. Ein Tag pro Woche wirkt harmlos neben der ökologischen Dramatik mit dem Abschmelzen der arktischen Eisschilde, der Übersäuerung der Meere, des Plastikmülls, des massiven Artensterbens und leider so manchem Unheil mehr. Als die Philosophin Hannah Ahrend sich 1970 Gedanken über zivilen Ungehorsam machte, schrieb sie, daß „jemand, der weiß, daß er widersprechen kann, auch weiß, daß er gewissermaßen zustimmt, wenn er nicht widerspricht.“ Der Ungehorsam der streikenden Schüler verweigert sich nicht den demokratischen Institutionen, er appelliert im Gegenteil an sie. Politiker, die „Fridays for Future“ als manipuliert oder naiv diskreditieren wollen, entblößen nur die Leerstelle, an der ursprünglich einmal die Selbstachtung der demokratisch gewählten Repräsentanten zu finden war.
© Ernst Peter Fischer
Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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