Das Monster Facebook
Mehr als 2,3 Milliarden Menschen weltweit nutzen regelmäßig Facebook, und ein Grund für diesen Erfolg findet man in dem Hinweis, daß das Unternehmen seit seinen Anfängen vor 15 Jahren alles unternimmt, damit seine Nutzer möglichst oft wiederkommen und möglichst lange auf den Seiten verweilen. Dies gelingt offenbar dann besonders gut, wenn dem Nutzer - was für ein abwertendes Wort - überraschende Beiträge geboten werden, die rasch die Grenzen zum Skurrilen, Extremen oder Illegalen erreichen und überschreiten. Dabei zeigen wissenschaftliche Studien - trotz der Vorsicht, die hier in manchen Fällen angebracht ist -, daß sich Falschnachrichten und Verleumdungen weitaus schneller ausbreiten als herkömmliche Beiträge. Schon immer hieß es, „Ich liebe den Verrat und verachte den Verräter“, und Facebook lädt Milliarden Nutzer herzlich zu diesem unwürdigen Spielchen ein. Bislang hat das Unternehmen auf das vertraut, was man in ökonomischen Kreisen gerne die unsichtbare Hand nennt, die in diesem Fall dafür sorgen sollte, daß unerwünschte Beiträge von allein in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, weil sie kaum noch angeklickt werden und die Algorithmen sie abziehen. Doch leider ist das Gegenteil der Fall. Der Konzern Facebook investiert Milliarden, um die Aktivität seiner Nutzer - was für ein abwertendes Wort - zu überwachen und in Sekundenbruchteilen passende Werbung einzuspielen. Er unternimmt aber (fast) nichts, um Mißbrauch zu verhindern. Als der Attentäter von Christchurch im März 2019 in zwei Moscheen fünfzig Menschen erschoß und sein Morden live im Internet übertrug, verfolgten Hunderte Menschen das brutale Geschehen per Live-Video auf Facebook, und das Unternehmen reagierte erst, als weitere Tausend das Video nach der Tat angeschaut hatten. Natürlich kann man sich auch fragen, was das für Menschen sind, die beim Morden zusehen und von dem betrachteten Material auch noch Kopien fertigen und verschicken. Aber die Nutzer sollten Anspruch darauf haben, daß Facebook all seine Möglichkeiten einsetzt, um Haßbotschaften und Gewaltvideos aus dem Netzwerk verschwinden zu lassen. Aber da wird ohne politischen Druck nichts passieren. Es geht natürlich um das Geschäft und im Hintergrund werden Politiker Meinungsfreiheit fordern und vor einer möglichen Zensur warnen. Was so harmlos als Austausch von sozialen Kontakten begann, ist zu einem Monster geworden. Es sollte gezähmt werden.
© Ernst Peter Fischer
Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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