Eine liebenswert sanfte, aber sehr dünne und ein bißchen dumme Geschichte

„A great place to call home“ von Marc Turtletaub

von Renate Wagner

A great place to call home  
USA 2023 

Regie: Marc Turtletaub
Mit: Ben Kingsley, Jade Quon, Harriet Sansom Harris,  Jane Curtin u.a.
 
Wir sind in einer Science-Fiction-Komödie, die unter alten Leuten spielt – die Oldies in unserer Gesellschaft werden immer mehr (kaum einen Wimpernschlag später gehört man selbst dazu), und sie wie andere doch eher ausgegrenzte Spezies in den Mittelpunkt von Filmen zu stellen – ja, warum nicht?
Zumal, wenn man sich die Augen reibt, wie schnell die Zeit vergeht – war Ben Kingsley nicht eben noch (und unvergeßlich) Gandhi? Hier erlebt man ihn als alten Mann mit wildem Haar, der schnell seine Lektion lernt, daß man in gewissen Situationen seinen Mund hält und im Laden nicht herumerzählt, was einem passiert ist. Denn, ehrlich, wie würden wir selbst darauf reagieren, wenn uns jemand in aller Selbstverständlichkeit wissen ließe, in seinem Garten sei ein kleines UFO-Raumschiff mit einem Alien gelandet? Wir würden vielleicht auch freundlich nicken und, wie es die Tochter dieses 78jährigen Milton Robinson tut, nach dem Arzt rufen, ob der alte Herr noch zurechnungsfähig ist.

Aber da im Kino alles möglich ist, gibt es das seltsame Geschöpf aus dem Raumschiff wirklich – schmal wie ein kleiner Junge, ganz in weiß (auch das Gesicht), er würde grundsätzlich an Spielbergs „E.T.“ erinnern, ist aber nicht so schrumpelig wie dieser… Wie viel man schweigend auch an Emotionalität einbringen kann, zeigt Darsteller Jade Quon, dessen wahres Gesicht man nie sieht, der aber als Jules seine eigene Persönlichkeit entwickelt.
 
Nun kann man in einer amerikanischen Kleinstadt (man ist in West-Pennsylvania) nicht ohne die schreckliche Anteilnahme seiner Nachbarn leben, aber glücklicherweise sind die beiden alten Freundinnen (Harriet Sansom Harris, Jane Curtin) lieb und herzlich naiv, kleiden das seltsame Geschöpf, das sie „Jules“ nennen (ob nach Jules Verne, bekommt man nicht mit) in T-Shirts und füttern ihn, wobei er allerdings nur Äpfel mag, die Milton in großem Ausmaß zu kaufen beginnt. Schnell lebt Jules bei ihm im Haus. Nett und gut beobachtet  ist, daß alle drei dem schweigenden Jules ihr Herz ausschütten, ihre Sorgen erzählen, weil sie das Gefühl haben, er hört ihnen zu. In der Öffentlichkeit wird währenddessen in den Fernsehnachrichten dringend nach einem abgestürzten „Wettersatelliten“  gesucht… (Man  hatte ja schon immer den Verdacht, daß die Amerikaner bezüglich von Raumschiffen aus dem All lügen, nicht wahr?)
 
Leider ist dem Film über die Ausgangssituation von Jules und den drei alten Leutchen, die versuchen, das Geheimnis zu wahren, nicht viel eingefallen. Wenn Jules am Ende wieder abreist und anbietet, sie auf seinen Planeten mitzunehmen, lehnen sie dankend ab. Sie sind die Erde gewohnt… und man hat das Gefühl, daß Regisseur Marc Turtletaub eine liebenswert sanfte, aber sehr dünne und auch immer wieder ein bißchen dumme Geschichte zur Verfügung hatte, die immerhin sehr lieb auf den Zuschauer zukommt. Selbstverständlich mit der Botschaft, daß man auch  Außenseiter, die man eigentlich nicht versteht, willkommen heißen soll…
Und Ben Kingsley ist immer noch sein großartiges Selbst, sprich, eine Leinwand-Persönlichkeit, von der man sich wünscht, daß er doch etwas bessere Rollen und Drehbücher geboten bekäme…