Mit aufgesetztem Happyend

„Reif für die Insel“ von Marc Fitoussi

von Renate Wagner

Reif für die Insel
Les Cyclades - Frankreich 2022

Regie: Marc Fitoussi
Mit: Olivia Côte, Laure Calamy, Kristin Scott Thomas, 
Alexandre Desrousseaux u.a.
 
Wie viele Jugendfreundschaften halten schon über die Jahre, zumal wenn es zu einem schmerzlichen Bruch kam? Jedenfalls denkt Blandine (Olivia Côte) dreißig Jahre später nicht mehr an Magalie (Laure Calamy). Sie ist seit zwei Jahren geschieden, lebt in einer Depression und macht ihrem zwanzigjährigen Sohn Benjamin (Alexandre Desrousseaux) echte Sorgen. Vor allem hat er gar keine Lust, mit seiner Mutter zwei schon gebuchte Wochen nach Griechenland zu fahren, während seine Freundin schwanger ist. Als sie Magalie einmal erwähnt, ist es keine große Sache, diese über die sozialen Medien aufzuspüren und ein Treffen der ehemaligen Freundinnen zu arrangieren.
Damit beginnt die große Auseinandersetzung zwischen der stillen, korrekten, alles andere als abenteuerlustigen Blandine und der hyperaktiven, offenbar notorisch lügenden, dem Kriminellen nicht abgeneigten Magalie, Gegensätze, wie sie schärfer nicht sein könnten. Daß mit Magalie (die gleich die falschen Tickets für die Fähre kauft, um ein bißchen Geld einzustecken) der Griechenland-Urlaub nicht so verläuft, wie es sich Blandine idealerweise vorgestellt hat, ist klar. Wenn man sich als Zuschauer eher mit ihr identifizieren kann, dann leidet man geradezu unter der dauerredenden, dauerlügenden, zu jedem Exzeß bereiten Magalie – eine jener Figuren, die sich auf der Kinoleinwand gut machen, mit denen man im Leben aber nichts zu tun haben will… Allerdings wird am Ende ja doch angedeutet, daß die scheinbar so Selbstbewußte, Unbekümmerte vermutlich doch eine arme Haut ist.
 
Regisseur Marc Fitoussi treibt die hektischen Gegensätze immer wieder auf die Spitze, setzt als pittoreske Ferienszenerie ein Inselhüpfen durch die Kykladen in Szene (ohne daß eine Art Traumschiff-Ferienfilm daraus würde, Kultur ist nicht zu erwarten) und macht noch einen Schlenker zu Magalies Freundin Bijou (Kristin Scott Thomas), die mit ihrem griechischen Freund Dimitris (Panos Koronis) auf einer der Inseln lebt.
Daß die Reise nicht gut ausgehen kann, ist klar und wird auch durchgezogen – daß dann doch noch ein Happyend darauf gesetzt werden muß, hat dramaturgische und feministische Gründe. Einerseits verlangt ein Frauenfilm, der letztendlich auf Humor und Wohlfühlen ausgerichtet ist, daß die Damen einander ja doch versöhnt in die Arme fallen, andererseits geht es um die Botschaft an Frauen, daß das Leben nach einer zerbrochenen Beziehung nicht zu Ende ist, sondern nach einer gewissen Trauerzeit wieder „Lebensfreude“ angesagt sein sollte… Damit man als Zuschauer gewissermaßen beschwingt aus dem Kino geht.
 
Der Film gehört Olivia Cote als verschlossener Blandine, die mit minimalen Mitteln meisterhaft und oft berührend alle Reaktionen von Blandine vermittelt, während es Laure Calamy leichter hat, als extravertierter Wirbelwind herumzuschießen. Interessant Kristin Scott Thomas, die man meist als zurückhaltende englische Lady kennt und die hier als Späthippie ganz neue, entfesselte Töne (mit einem Hautgout von Tragik) anschlägt. Drei darstellerische Leistungen, die dafür entschädigen, daß man von den griechischen Inseln, von denen man doch einiges erhofft hat, so wenig zu sehen bekommt.