Wuppertaler Meinung und Dialog
Wo ist der Maschinist?
Von Lothar Leuschen
Wuppertal soll 2035 klimaneutral sein. Das ist eine gute Idee. Nur wäre es dann auch angezeigt, langsam mit der Umsetzung zu beginnen. Denn bis 2035 sind es keine elf Jahre mehr, und die Zeit fliegt. Das ist auch sichtbar daran, daß im Rathaus nun schon seit mehr als drei Jahren ein richtig grüner Wind weht. Aber von Gendern, ein paar Fahrradspuren und zwei, drei Solaranlagen auf stadteigenen Dächern abgesehen hat der Wind die heiligen Hallen noch gar nicht verlassen.
Deshalb ist der Hinweis von Markus Hilkenbach richtig. Der Chef der Wuppertaler Stadtwerke hat dieser Tage einmal höflich, sachlich und völlig frei von politisch motivierter Kritik darauf hingewiesen, daß gewünschte Veränderungen in aller Regel nicht zum Nulltarif zu haben sind. Für seine Stadtwerke schon gar nicht. Denn die müssen das Energienetz umbauen, damit möglichst viele Haushalte ihre Zimmer mit Wärmepumpen beheizen können, sie müssen mehr als 300 Wasserstoffbusse anschaffen, sie müssen die Busbetriebshöfe erneuern, damit die neuen Busse hineinpassen, und sie müssen die Schwebebahnwerkstatt ertüchtigen, weil die Schwebebahn sonst in absehbarer Zeit den Betrieb einstellen muß. Unter dem Strich entsteht so ein Investitionsbedarf von mehr als 1,5 Milliarden Euro, die bis 2035 verbaut sein müßten, damit Wuppertal sein Klimaziel erreicht. Selbst wenn das verfehlt werden sollte, was sicher ist, wäre die Aufgabe verpflichtend bis spätestens 2045 zu erledigen. So hat es die Bundespolitik beschlossen.
Letztlich ist aber völlig egal, ob die Stadtwerke bis 2035 jedes Jahr knapp 150 Millionen Euro mehr ausgeben müssen oder bis 2045 knapp 75 Millionen. Das Geld hat die städtische Tochtergesellschaft schlicht nicht. Es sei denn, sie erhöhte den Strompreis, was dann allerdings dazu führte, daß sie Kunden an den billigeren Wettbewerb verlöre.
Es ist also vertrackt. Das Ziel ist richtig, der Zeitplan ist falsch, sagt Hilkenbach dann auch. Und an dieser Stelle käme eigentlich der Oberbürgermeister ins Spiel. 2035 ist eine gute Idee, umsetzbar ist sie nicht. Es gilt, einen neuen, einen realistischen Plan zu machen, zu priorisieren und sicherzustellen, daß wenigstens etwas erreicht wird, wenn schon nicht alles. Was soll wann gemacht werden? Ganz einfach. Doch der Ruf verhallt ungehört. Wie so oft zuvor entsteht so der Eindruck, daß die ambitionierten Träume zum Beginn des Transformationsprojektes Wuppertal am Verwaltungsalltag zerschellen. Nichts weist darauf hin, daß irgendwer im Dunstkreis von Uwe Schneidewind, geschweige denn er selbst, erkannt hat, daß nun Planung, Sammlung und Neuausrichtung notwendig sind. Denn jeder weiß doch, daß auch Wuppertal so nicht wird weitermachen können. Aber die Zeit läuft, und wenn Wuppertal den Prozeß nicht organisiert, werden es irgendwann andere für Wuppertal tun. Das ist die harte Realität, das steht dieser Stadt bevor, wenn sie sich weiter als reformunfähig erweist. Die Lage ist ernst. Sie erfordert Handeln.
Es ist eben das eine, als Berater für klimaneutrales Inszenieren am Düsseldorfer Schauspielhaus und auf Podien in ganz Deutschland zu glänzen. Das andere ist kommunalpolitische Kärrnerarbeit, mit teilweise lästigen Diskussionen, mit schwierigen Moderationen und der Bereitschaft zu bisweilen schmerzhaften Kompromissen. Wenn diese elementare Arbeit an der Spitze des Rathauses nicht geleistet wird, dann steht der Motor still. Irgendwer hätte dem Oberbürgermeister vor seiner Entscheidung für das Amt sagen sollen, daß er letztlich also als oberster Maschinist wichtig ist und nicht als Transformationsphilosoph im obersten Eckzimmer des Elfenbeinturms.
Der Kommentar erschien am 10. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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