Die Schwäche der anderen

Friedrich Merz und die CDU im Höhenflug

von Lothar Leuschen​

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Die Schwäche der anderen
 
Friedrich Merz und die CDU im Höhenflug
 
Von Lothar Leuschen
 
Diese Renaissance hatten nicht viele Beobachter Friedrich Merz zugetraut. Doch nach anfänglicher Durststrecke scheint die Rückkehr des Sauerländers in die große Politik eine Erfolgsgeschichte werden zu können. Einst von Angela Merkel gewissermaßen vom Hof gejagt, hat sich der kantige Sauerländer an der Spitze der CDU und der Unionsfraktion im Bundestag eingerichtet. Zunehmend ist es ihm dabei gelungen, das Profil der CDU als bürgerlich konservative Kraft zu schärfen. Und nun kommen die Ergebnisse. Zumindest in den Umfragen halten die Christdemokraten sich konstant über der 30-Prozent-Marke. Das ist bemerkenswert angesichts der immer noch bedauerlich guten Werte der zumindest in Teilen rechtsextremen AfD. Es scheint der Merz-CDU also zu gelingen, Zugewinne aus dem sozial-liberalen und grünen bürgerlichen Milieu zu generieren.
 
Doch Umfragen sind keine Wahlen. Und schon am 9. Juni kommt die erste Nagelprüfung. Europa wählt ein neues Parlament. Und in fast allen Nationen des Staatenbündnisses stellt sich die Frage, ob Nationalisten noch mehr an Einfluß gewinnen werden. Dem muß sich eine im Kern europafreundliche Gruppierung wie die deutsche Christdemokratie entgegenstellen. Ob das mit Betonopposition in Berlin gelingt, wie beispielsweise beim leicht durchschaubaren Nein zum Wachstumschancengesetz, ist fraglich. Möglicherweise ist in Zeiten wie diesen mehr ideologiebefreite Vernunft gefragt, gerade auch vom Chef der größten Oppositionspartei. Und im Parteienbündnis mit der bayerischen CSU ist obendrein bald noch eine wichtige Personalfrage zu beantworten. Geht die Union mit Merz ins Rennen um die Kanzlerschaft, oder versucht sie es mit CSU-Chef Markus Söder? Populisten haben Konjunktur derzeit. Das spricht für den Mann aus Bayern.
 
Will Friedrich Merz Kanzler werden, muß er Söders Talent in der Kategorie Rampensau einen konstruktiven, bürgerlichen und zukunftsgewandten Politikstil entgegensetzen. Sonst läuft er Gefahr, daß sich seine eigene Stärke über kurz oder lang lediglich als die Schwäche der anderen herausstellt.
 
 
Der Kommentar erschien am 29. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.