Akuter Reformbedarf
Mehr Rentner beziehen Grundsicherung
Von Lothar Leuschen
Die Nachricht klingt alarmierend. Immer mehr Rentner sind auf Grundsicherung angewiesen. Die Zahl jener, deren Rente für das Auskommen nicht reicht, ist deutlich gestiegen. Die Rentenversicherung führt das auf eine Änderung der Freibetragsgrenzen im Zusammenhang mit der 2021 gestarteten Grundrente zurück. Sie führt dazu, dass mehr Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf Grundsicherung haben. Insgesamt sind knapp 600.000 Frauen und Männer auf die Unterstützung angewiesen, das sind 2,8 Prozent aller Rentner in Deutschland. Das ist noch ein geringer Anteil, aber der niedrige Wert taugt nicht zur Entwarnung. Er beinhaltet nämlich nicht die Frauen, die in Partnerschaften leben und nur wegen der Rente des Ehemannes über die Runden kommen. Und die 2,8 Prozent projizieren auch nicht die Steigerung, die dadurch droht, daß die Zahl der Alleinerziehenden in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist. Auch davon sind vor allem Frauen betroffen. Ihnen droht dasselbe Schicksal, das heute bereits die etwa 600.000 Bezieher von Alterseinkünften beklagen müssen.
Im vergangenen Jahr sind die Renten in Deutschland deutlich erhöht worden. Doch das löst das Grundproblem nicht. Daß tendenziell immer mehr Menschen im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist ein untrüglicher Hinweis darauf, daß im System nicht mehr alles stimmt. Problematisch ist also nicht nur, daß heute schon mehr als 100 Milliarden Euro aus der Steuerkasse nötig sind, um die gut 16 Millionen Renten zu bezahlen, weil die Beiträge der Erwerbstätigen nicht mehr ausreichen. Hinzu kommt, daß es offenbar mehr Erwerbsbiografien gibt, die in die Altersarmut führen.
Auch deshalb ist es höchste Zeit, daß die Politik sich mit der Alterssicherung beschäftigt. Und dabei geht es nicht allein darum, die Rente in Teilen über Aktien zu finanzieren. Es geht auch darum, Altersvorsorge so zu gestalten, daß am Ende des Erwerbslebens ein auskömmliches Einkommen besteht. Deutschlands Rentensystem hat akuten Reformbedarf.
Der Kommentar erschien am 5. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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