Unsicherer Kantonist
Geert Wilders wird nicht Regierungschef
Von Lothar Leuschen
Das Wahlergebnis in den Niederlanden ist einem Erdrutsch gleich gekommen, einem epochalen politischen Rutsch nach rechts. Geert Wilders’ Partei für die Freiheit, PVV, errang im Nachbarland 37 der 150 Parlamentssitze und damit die Gewißheit, daß gegen die Rechtspopulisten im Grunde keine Regierung zu bilden ist. Doch Wilders hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die für seine Koalition auserkorenen Parteien haben sich allesamt geweigert, dem Rechtsaußen das Feld zu bereiten. Nun steht ein loses Bündnis im Raum, das, wenn auch rechts-konservativ, anscheinend auf die Provokationen Wilders verzichten will. Für Wilders freilich macht das keinen großen Unterschied. Er kann als Chef der größten Fraktion im Parlament weiter gegen Migration wettern, Moslems anfeinden und frei nach Donald Trump „Niederlande zuerst“ fordern. Und dem Rest der Welt könnte das alles ganz egal sein.
Aber es ist nicht egal. Die Niederlande sind zwar ein verhältnismäßig kleines Land innerhalb der Europäischen Union, aber ein wirtschaftlich starkes. Außerdem sind die Niederlande ein Gründungsmitglied der Union und damit auch ein Seismograf für die Entwicklung des Staatenbundes. Es ist deshalb nicht gleichgültig, wer in der Zweiten Kammer des Parlaments in Den Haag das Sagen hat. Dort werden die Gesetze gemacht, und von dort aus hatte Wilders sich vorgenommen, das Königreich umzukrempeln.
Vorerst ist sein Plan gescheitert, weil Konservative auch in den Niederlanden eben keine Rechtsextremisten sind. Dennoch richtet Wilders mit seiner Partei schon allein dadurch Schaden an, dass statt einer Koalition nun womöglich ein loser Zusammenschluß entsteht, der in bestimmten Fragen miteinander arbeitet, in anderen aber nicht. Dazu sollen Experten als Minister fungieren. Die Alternative wäre eine Neuwahl, die Wilders Umfragen zufolge noch stärker machte. Dann besser ein fragiles, aber demokratisch gesinntes Bündnis. Europa ist in schweren Turbulenzen. Und die EU kann neben Ungarn keinen weiteren unsicheren Kantonisten gebrauchen.
Der Kommentar erschien am 15. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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