Bittere Medizin

EU-Parlament regelt Asylverfahren neu

von Lothar Leuschen​

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Bittere Medizin
 
EU-Parlament regelt Asylverfahren neu
 
Von Lothar Leuschen
 
Die Wahlen in der Europäischen Union vom 6. bis zum 9. Juni werfen schon seit Monaten ihre Schatten voraus. Doch je näher die Wahltage rücken, desto hektischer wird der Betrieb im Brüsseler Parlament. Es ist deshalb kein Wunder, daß sich eine Mehrheit der Parlamentarier am Mittwoch für neue Asylregeln ausgesprochen hat. Zwar sehen einige Mandatsträger in dem neuen Verfahren noch einige Schwächen, weil etwa die Zuwanderung von Facharbeitern noch nicht geregelt worden sei. Aber angesichts der politischen Situation in vielen Ländern der Union ist das nebensächlich.
 
Auf den ersten Blick sollen die neuen Asylregeln selbstverständlich die Zuwanderung in die Europäische Union steuern. Im Kern geht es darum, die Zahl der Flüchtlinge diesseits der Grenzzäune zu senken. Außerdem ist das Regelwerk ein Signal an Staaten mit Außengrenzen wie Griechenland und Italien, die durch ungeregelte Zuwanderung sehr unter Druck stehen. Künftig sollen diese Staaten über eine Verteilung per Quote entlastet werden.
 
Auf den zweiten Blick dienen die neuen Asylregeln nicht nur der Steuerung von Migration. Sie sind eine eindeutige Aussage gegenüber den Menschen, die in der EU leben und sich zunehmend Sorgen machen, daß ihre Staaten vollends die Kontrolle über Zuwanderung verlieren. Dieses Schreckgespenst malen rechts- und linksextreme Kräfte. Und die jüngsten Polizeistatistiken über den Anstieg von Straftaten durch Ausländer sind Wasser auf die Mühlen der destruktiven Kräfte. Deshalb konnten die EU-Parlamentarier gar nicht anders, als Regeln zu verabschieden, die das Asylrecht zwar nicht abschaffen, den Weg zum Asyl in der Europäischen Union aber erschweren. Das ist bittere Medizin für die breite Mehrheit im Staatenbündnis, die es mit Humanität und Hilfsbereitschaft hält. Aber letztlich ist es besser, diese Pille zu schlucken als durch wachsenden Einfluss politischer Extremisten die Grundfesten zu gefährden, auf denen das soziale, friedliche Zusammenleben von Lissabon bis Riga, von Helsinki bis Valletta ruht.
 
 
Der Kommentar erschien am 11. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.