Hungrige Seelen
Der Wuppertaler Dramatiker und Romancier Karl Otto Mühl hat mit
„Hungrige Könige“ ein Meisterwerk deutscher Prosa vorgelegt.
Wer auch immer dieses Buch mittlerweile zur Hand genommen hat, wird es im Sog seiner virtuosen Sprache atemlos und ergriffen bis zum Ende gelesen haben, in offener, heiterer Demut von der Faszination seiner Schlichtheit und der Größe seiner Prosa erfaßt. Von der ersten Seite an befindet sich der Leser in der beruhigenden Gewißheit, bei jedem Umblättern Gewinn einzufahren. „Hungrige Könige“ von Karl Otto Mühl ist eine Aktie mit enormer Rendite.
Der Roman ist die Geschichte zweier Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Franz Zajonski, ein robuster, ja ruppiger Werkschutzmann auf dem Weg ins Rentner-Dasein, und sein alter ego Jürgen Demessieur, Abteilungsleiter der Firma, in der Zajonski nach wechselvollem Leben die letzten Arbeitsjahre verbracht hat. Demessieur und Zajonski haben nur eines gemeinsam: die Literatur. Zwar erfährt der Leser nichts von Demessieurs literarischen Qualitäten, doch umso mehr von denen Zajonskis, der seinem Idol Demessieur nachstrebt. Und die sind beachtlich. Karl Otto Mühl gelingt eine unerhörte Gratwanderung: als Erzähler der Novelle um Zajonski/Demessieur und als Verfasser von Zajonskis beeindruckender Lyrik und Prosa, die sich als roter Faden durch das Buch spinnt.
Wir lernen die beiden Männer besser und besser kennen, die Skrupel und Vorbehalte des einen und die völlige Distanzlosigkeit des anderen, erleben, wie sich ihre Leben durchdringen oder besser: wie Zajonski von Demessieur Besitz ergreift, ihn zu sich herab zieht und unlösbar mit seinem eigenen erlöschenden Leben verbindet, das noch einmal aufflackern kann, als er literarische Anerkennung erfährt. Zajonski hat Krebs, wird sterben.
Karl Otto Mühl hat seine Figuren unmittelbar aus dem Leben genommen. Das gilt nicht nur für seine beiden Protagonisten und deren Eigenschaften, Fehltritte, Mängel und Qualitäten, sondern auch für sämtliche Nebenfiguren, die in ihrer marginalen Gestalt dennoch entscheidende Bedeutung für Zajonski und Demessieur haben, Menschen, die man nicht erfinden muß, weil es sie so oder ähnlich gibt – jederzeit und überall: die Ehefrauen Ursula und Brigitte, Sohn Florian, Zajonskis Haushaltshilfe Isabel Pomrenke, mit der sich Demessieur in ein erotisches Abenteuer verstrickt oder seine Kollegen Ehrenwirth und Apel. „Hungrige Könige“ ist ein Roman um hungrige Seelen, ein Blick tief nach innen – und ein versöhnliches, wunderschönes Buch.
Karl Otto Mühl – „Hungrige Könige“
© 2005 NordPark Verlag, 192 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783935421058)
Weitere Informationen: www.nordpark-verlag.de
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