Eine verwahrloste städtische Immobilie (mit Zukunft ?)

Architekturgeschichtlicher Besuch im Schauspielhaus Wuppertal

von Johannes Vesper

Schauspielhaus Wuppertal - Foto © Johannes Vesper

Eine verwahrloste städtische Immobilie
(mit Zukunft ?)
 
Architekturgeschichtlicher Besuch im Schauspielhaus Wuppertal
vor dem geplanten Umbau zum Pina-Bausch-Zentrum
 
Von Johannes Vesper
mit Beiträgen von Frank Becker
 
Das Haus an der Elberfelder Bergstraße, das Nachkriegstheater Wuppertals, in dem anfangs Briketts als Eintrittsgeld akzeptiert wurden, seit 1949 „Neues Theater Bergstraße“, konnte ab 1961 wegen bautechnischer Mängel nicht weiter bespielt werden. Heute ist dort das „Haus der Jugend“ untergebracht. Ein neues Haus war nötig, also wurde 1962 im Stadtrat beschlossen, für das Schauspiel in Wuppertal ein neues Haus zu bauen. Entworfen und gebaut wurde es 1964-1966 von dem Architekten Gerhard Graubner mit 745 Sitzplätzen für zuletzt 12,6 Millionen D-Mark. Graubner hatte bereits das Theater Bremerhaven (Wiederaufbau 1953), das Schauspielhaus Bochum (1952–1953), das Stadttheater („Heinz-Hilpert-Theater“) in Lünen (1956–1958), das Nationaltheater München (Wiederaufbau 1958–1963), das Stadttheater Krefeld (1963) und 1964 das Stadttheater Trier gebaut.
 

Schauspielhaus Wuppertal, Bühneneingang - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Großer Saal - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Foyer und Patio - Foto © Johannes Vesper

„Die Kunst muß zu weit gehen, um herauszufinden, wie weit sie gehen darf“ meinte Heinrich Böll in seiner Eröffnungsrede über die Freiheit der Kunst. Eröffnet wurde das elegante Haus – heute steht es unter Denkmalsschutz), zu dessen Einweihung am 24.9.1966 sogar Bundespräsident Heinrich Lübke mit Ehefrau Wilhelmine kam, mit „Nathan der Weise“ (Karl Georg Saebisch als Nathan und Matthias Habich) im Bühnenbild von Hanna Jordan und inszeniert von Günter Ballhausen. Am folgenden 25.9.1966 wurde „Die Wupper“ von Else Lasker-Schüler im Bühnenbild von Teo Otto und inszeniert von Hans Bauer aufgeführt. Wuppertals Schauspiel zählte zu jener Zeit mit seinem hochkarätigen Ensemble zu den zehn besten Häusern der Bundesrepublik und erlebte unter den Intendanzen von u.a. Arno WüstenhöferHellmuth Matiasek, Holk Freytag und Christian von Treskow goldene Zeiten.
 

Schauspielhaus Wuppertal, Kleines Haus - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Bühnentechnik - Foto © Johannes Vesper

Pina Bausch kam 1973 als Ballettdirektorin nach Wuppertal ans Barmer Opernhaus, entwickelte aber schon ab 1980 viele ihrer Stücke ihres Tanztheaters vorwiegend im Schauspielhaus. Ab 2006 diente das Schauspielhaus zusätzlich als Ausweichspielstätte für die Oper, da das Barmer Opernhaus umfassend renoviert wurde (Wiedereröffnung 2009). 2009 verstarb Pina Bausch. Die Abschiedsfeier von ihr fand am 4. September im Barmer Opernhaus statt. Hauptredner war Wim Wenders. Pina hatte immer ihre schützende Hand über ihre Spielstätte gehalten aber nach ihrem Tod hatte die Stadt für die Renovierung des Schauspielhauses kein Geld mehr, obwohl ein früheres Gutachten die Erhaltung beider Häuser als machbar berechnet hatte. Das Foyer wurde zu einer kleinen Spielstätte umgebaut, bevor 2013 das Schauspielhaus endgültig geschlossen wurde und sogar der Abriß erwogen wurde. Zum Abschied spielte man passenderweise „Eine Billion Dollar“. Christian von Treskow als Schauspielintendant hielt die Abschiedsrede und bedauerte, daß „das Erbe Pina Bauschs und ein Theater, welches Zeitgenossenschaft konsequent behauptet hat, den Erhalt einer verwahrlosten städtischen Immobilie“ nicht retten konnte. Das Haus verfiel danach zusehends vor den Augen des Publikums und der Stadtspitze, die an dem Bestand eines florierenden Schauspiels offenbar kein Interesse hatte. Über das überwiegend durch private Initiative gerettete neue Wuppertaler Schauspiel mit einer kleinen Spielstätte in Barmen wäre an anderer Stelle zu sprechen.
 

Schauspielhaus Wuppertal, Bühnentechnik - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Bühnentechnik - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Schnürboden - Foto © Johannes Vesper

Seit 2015 wird die Umwandlung des Schauspielhauses in das „Pina-Bausch-Zentrum“ verfolgt. Das Konzept dafür beruht auf vier Säulen. 1. Das Pina-Bausch-Zentrum soll als Spielstätte des Tanztheaters Pina Bausch dienen, welches mit seinen internationalen Gastspielen den Namen der Stadt in die ganze Welt trägt. 2. Das Zentrum soll es ferner Tanzcompagnien und freien Ensembles aus Europa und auch Übersee ermöglichen, ihre Produktionen zu fertigen bzw. fertig zu stellen. So können weitere Uraufführungen und Gastspiele nach Wuppertal geholt und NRW als Zentrum des europäischen Tanzes bestätigt werden. 3. Wird die Pina-Bausch-Stiftung mit Archiv im Zentrum beheimatet sein. 4. Nicht zuletzt soll das Zentrum als „Forum Wupperbogen“ Raum und Gelegenheit bieten, die Schwelle zu Kunst und Kultur möglichst niedrig zu halten und kulturellen Austausch zu ermöglichen.   
Der 2023 durchgeführte Architektenwettbewerb wurde vom renommierten New Yorker Büro Diller Scofidio+Renfro gewonnen.  Im nächsten Jahr wird klar sein, ob und wie mit bergischer Sparsamkeit die dafür notwendigen rund 100 Millionen € gestemmt werden können.  Unbekümmert investiert man dagegen im Rheinland. Die Sanierung der Kölner Oper wird wie der geplante Neubau der Rheinoper in Düsseldorf eine Milliarde verschlingen. Die Bauzeit wird hier in Wuppertal, wenn die Planung steht, mit 3-4 Jahren veranschlagt.
 

Schauspielhaus Wuppertal, Garderobe - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Garderobe - Foto © Johannes Vesper


Schauspielhaus Wuppertal, Garderobe - Foto © Johannes Vesper

Unsere nostalgische Fotostrecke des Wuppertaler Schauspielhauses (Aufnahmen am 17.04. 2024) läßt Wehmut aufkommen bei der Erinnerung an eine Zeit, als das Theater in Wuppertal immer wieder zu den besten Deutschlands gezählt wurde und das Tanztheater in die Welt ausstrahlte. Es bleibt die Hoffnung, daß das Projekt gelinge.


Schauspielhaus Wuppertal, Kein Anschluß unter dieser Nummer - Foto © Johannes Vesper

Den Momentaufnahmen der heutigen Fotostrecke wird hier → die der Deutschen Digitalen Bibliothek aus der Bauzeit 1964-66 gegenübergestellt. 
 
Redaktion: Frank Becker