Heute wäre der Poet und Philanthrop, der Kabarettist und Mitmensch, der Christ und Privatsozialist, der Philosoph im Übergangsmantel - und vor allem der bekennende Niederrheiner Hanns Dieter Hüsch 99 Jahre alt geworden. Im Dezember 2005 haben wir ihn zu Grabe getragen - vergessen werden wir ihn nie.
Für wen ich singe Ich sing für die Verrückten Die seitlich Umgeknickten Die eines Tags nach vorne fallen Und unbemerkt von allen An Ihrem Tisch in Küchen sitzen Und keiner Weltanschauung nützen Die tagelang durch Städte streifen Und die Geschichte nicht begreifen Die sich vom Kirchturm stürzen Die Welt noch mit Gelächter würzen Und für den Tod beizeiten Sich selbst die Glocken läuten Die an den Imbißbuden hängen Sich weder vor- noch rückwärtsdrängen Und still die Tagessuppe essen Dann alles wieder schnell vergessen Die mit den Zügen sich beeilen Um nirgendwo zu lang zu weilen Die jeden Abschied aus der Nähe kennen Weil sie das Leben Abschied nennen Die auf den Schiffen sich verdingen Und mit den Kindern Lieder singen Die suchen und die niemals finden Und nachts vom Erdboden verschwinden Die Wärter stehen schon bereit mit Jacken Um werkgerecht die Irrenden zu packen Die freundlich auf den Dächern springen Für diese Leute will ich singen Die in den großen Wüsten sterben Den Schädel schon in tausend Scherben Der Sand verwischt bald alle Spuren Das Nichts läuft schon auf vollen Touren Die sich durchs rohe Dickicht schieben Von Wahnsinn wund und krank gerieben Die durch den Urwald aller Seelen blicken Den ganzen Schwindel auf dem Rücken Ich sing für die Verrückten Die seitlich Umgeknickten Die eines Tags nach vorne fallen Und unbemerkt von allen Sich aus der Schöpfung schleichen Weil Trost und Kraft nicht reichen Und einfach die Geschichte überspringen Für diese Leute will ich singen. (1969) © Chris Rasche-Hüsch - Veröffentlichung des Textes mit freundlicher Erlaubnis von Chris Rasche-Hüsch
und Achim Broich (tvd Verlag) aus: "Ich möcht ein Clown sein" - 2002 tvd Verlag Düsseldorf |