Erfolg durch Versagen
Ein komischer Titel - „Success Through Failure“ - „Erfolg durch Versagen“. So heißt ein Buch des Amerikaners Henry Petroski, dem wir zahlreiche Texte über Geschichte und Evolution von Gebrauchsgegenständen verdanken - dem Bleistift, dem Messer, der Gabel und dem Reißverschluß. Jetzt stellt Petroski umfassend „das Paradox des Designs“ vor, wie dem Untertitel zu entnehmen ist. Die These des Buches gibt für das Design, war Karl Poppers „Logik der Forschung“ für die Wissenschaft liefert, nämlich den Hinweis, daß nur das Scheitern Menschen weiterbringt. Während Popper zufolge Wissenschaft nur weiterkommt, wenn ein Experiment zeigt, daß die Hypothese, die es prüfen soll, ungültig ist - dann kann man eine neue Hypothese formulieren und mehr wissen als vorher -, kommt auch das Entwerfen von Gegenständen nur weiter, wenn deren Vorgänger versagen. Wenn sie funktionieren, weiß ich nur, daß nichts schief gelaufen ist. In Petroskis Worten: „Dinge, die erfolgreich sind, bringen uns nichts außer dem Faktum bei, daß sie Erfolg hatten. Dinge, die versagen, liefern unstrittige Evidenz dafür, daß die Grenzen des Designs überschritten worden sind. Dem Erfolg nachzueifern erhöht das Risiko des Scheiterns; die Untersuchung eines Versagens erhöht die Chancen auf Erfolg. Das schlichte Prinzip, das nur selten ausdrücklich formuliert wird, lautet, daß die besten und erfolgreichsten Entwürfe auf den besten und vollständigsten Annahmen über das Versagen beruhen.“ Tatsächlich kennen wir das alles aus unserem eigenen Leben, in dem es viele Momente des Scheiterns gibt, ohne die wir aber nichts gelernt hätten. Bekanntlich macht uns stärker, was uns nicht umbringt, und so schimmert durch alle die Überlegungen das Grundprinzip der Evolution durch, das wir einsetzen, wenn wir das Leben verstehen wollen. Dabei fällt auf, wie ungerecht wir sind. Wir verachten den Versager, statt ihm zu danken. Wir können uns doch nur in der Sonne des Sieges zeigen, weil er die Niederlage eingesteckt hat. (Übrigens - trotz der gleichen Bedeutung des Scheiterns gibt es einen Unterschied zwischen Design und Forschung. Wahrend ein Wissenschaftler, dessen Hypothese in einem Experiment widerlegt (falsiļ¬ziert) wurde, auch annehmen kann, daß es eher das Experiment (sein Design) war, das dafür verantwortlich ist, geht das bei zusammenfallenden Neubauten nicht. Ihre Konstruktion sollte man auf keinen Fall noch einmal riskieren.)
© Ernst Peter Fischer
Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
Redaktion: Frank Becker
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