Betroffenheit reicht nicht

Nach dem Tod des Mannheimer Polizisten

von Lothar Leuschen​

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Betroffenheit reicht nicht
 
Nach dem Tod des Mannheimer Polizisten
 
Von Lothar Leuschen
 
Hilflos, fassungslos. Die Reaktionen auf den tragischen Tod des 29 Jahre alten Polizisten in Mannheim zeigt die ganze Tragik der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Ein mutmaßlich außer Kontrolle geratener Moslem will auf einen christlichen Hetzer einstechen, verletzt mehrere Menschen, darunter einen Polizeibeamten, der schließlich stirbt. Die Aufregung ist ebenso groß wie die Anteilnahme. Die Reaktion seitens der Politik ist ebenso erwartbar wie hilflos. Immer wieder nach solchen Taten wird mehr Härte, mehr Durchgreifen, mehr Konsequenz gefordert. Aber all das hat Grenzen. Sie werden vom Gesetz gesteckt. Und das hat sich trotz radikaler Islamisten, trotz gewalttätiger Extremisten auf der ganz rechten wie auf der ganz linken Seite als richtig und tauglich erwiesen. Die meisten Täter werden dingfest gemacht, landen zunächst vor Gericht und gegebenenfalls hinter Schloß und Riegel. Das Rechtssystem funktioniert, wenn vielleicht auch langsam, aber es funktioniert, wenn sich niemand aus ideologischen oder politischen Gründen zu sehr ins Zeug legt, um Justitia die Hände zu binden.
 
Was auch in Deutschland nicht funktioniert, ist Gesellschaft, sind Toleranz und Respekt für das Gegenüber, das womöglich anders denkt, woanders geboren wurde oder zu einem anderen Gott betet. Das zu ändern ist keine Aufgabe von Polizei und Justiz. Das ist eine Aufgabe aller Menschen, die in diesem Land leben. Und es kann ein guter Plan sein, beispielsweise in Fällen wie denen des Attentäters von Mannheim jenen diese Aufgabe zuzuweisen, die sie vielleicht besser erledigen können. Sollte sich die Tat als religiös motiviert erweisen, dann ist sie ein weiterer Hinweis darauf, daß der organisierte Islam nicht alle jungen Gläubigen im Sinne des friedlichen Zusammenlebens erreicht. Aber wer, wenn nicht der Imam einer Moscheegemeinde soll junge Moslems ansprechen und für die Regeln der Gemeinschaft eines christlich geprägten Staates erwärmen können? Die Attacke auf den Polizisten, aber auch die Form des Protestes gegen Israel erwecken das ungute Gefühl, daß sich die Moscheegemeinden oder auch die Ditib ihrer Rolle für das Zusammenleben nicht ausreichend bewußt sind.
 
 
Der Kommentar erschien am 6. Juni in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.