Vulkanausbruch in Wörlitz

Ein Spektakel im Wörlitzer Gartenreich

von Jörg Aufenanger

Foto © Gartenreich Wörlitz

Vulkanausbruch in Wörlitz
 
Bald ist es soweit und der Vulkan wird ausbrechen, nein nicht der Vesuv von Neapel wie so mancher dort befürchtet oder einer der Vulkane auf Island.
Der Vulkan in Wörlitz bei Dessau, eine gute Stunde von Berlin entfernt, wird, so die sichere Prognose, am 16. und 17. August 2024 eruptieren. Doch er wird keine Lava ausspucken und kein Ascheregen wird wie vor Jahren in Island den Flugverkehr stören. Er ist nämlich ein künstliches Spektakel, das im August an zwei Abenden im Wörlitzer Gartenreich stattfinden wird.
 
Am östlichen Ende dieser Parklandschaft liegt auf einer künstlichen Insel der kleine Vesuv samt einem nachempfundenen Miniatur-Italien. Fürst Leopold III. von Sachsen-Anhalt hatte im 18. Jahrhundert das Wörlitzer Gartenreich als eine Ideallandschaft mit Seen, Kanälen, Inseln, Tempeln und einem Landschloß gestalten lassen und damit der Sehnsucht seiner Zeit Ausdruck gegeben, ein Arkadien im Norden Europas zu schaffen. Als der Fürst mit seiner jungen Frau in Neapel weilte, hatte er einen Ausbruch des Vesuvs erlebt, war von diesem Schauspiel so begeistert, daß er seinen Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff beauftragte, einen künstlichen Vulkan zu errichten, der wie der wirkliche Vesuv explodieren könne. Eine verzwickte auch pyrotechnische Aufgabe. Doch nach sechs Jahren Bauzeit war es im Sommer 1794 so weit. Die Hofgesellschaft samt vielen europäischen Gästen saß in den Gondeln in Sichtweite des Vulkans, das gemeine Volk wartete am Ufer auf das Spektakel. Es begann bedrohlich zu grummeln und dann folgte Funkenflug, glutrotes Licht, Qualm, glühende künstliche Lava entquoll dem Krater. „Ist der Krater mit Pulverrädern und Schwärmern geladen, so entzünden sich schnell die aufgesteckten Lampenreihen und beginnt die schreckliche Explosion“, so berichtete als Augenzeuge der Goetheintimus Carl August Böttiger. Goethe hatte das Gartenreich einige Male besucht, es als Ideal einer künstlichen Landschaft bezeichnet. An Frau von Stein meldete er nach Weimar, hier sei es unendlich schön, ja ein Traum sei geschaffen worden, und der Park sei wie „ein Märchen, das einem vorgetragen wird.“ Einen Vulkanausbruch aber hat nicht wie sein Freund Böttiger erleben können.
 
Wir aber haben nun am 16. und 17. August zweimal die Chance, dem seltenen Schauspiel beizuwohnen, denn aus Kostengründen findet es nur alle paar Jahre statt. Doch bevor wir uns dem Wörlitzer „Vesuv“ zuwenden, machen wir noch einen Spaziergang zu Fuß oder in einer der Gondeln durch das Gartenwunder, das seit vielen Jahren auch UNESCO-Welterbe ist. An einem Seitenarm der Elbe gelegen, erstreckt es sich auf 112 Hektar. In seinem Zentrum liegt das Schloß, eins der ersten klassizistischen Gebäude Deutschlands, das um einen Lichthof gebaut, in den Stockwerken die Geschichte des Fürstentums von Anhalt-Dessau und die des Gartenreichs erzählt. Wir zwängen uns auch durch einen unterirdischen Gang, der zum Küchengebäude führt, so daß ins Schloß keine Küchengerüche dringen konnten. Wir passieren das Graue Haus, eine Synagoge, die Ausdruck der Toleranz der Zeit war, eine neugotische Kirche, die einer venezianischen Chiesa nachempfunden ist.
Doch die Hauptattraktionen finden wir in der Natur: Eine künstliche Felspartie, zwischen die eine Kettenbrücke gespannt ist, die unter unseren Füßen bedenklich schwankt, dann ein jäh aufragender Felsen, die Luisenklippe, Schochs Garten entlang dem Elbwall, an dem auch der Pantheontempel gelegen ist, zu dem ein unterirdischer Grottengang führt und in dessen Mitte eine Statue der ägyptischen Göttin Isis thront. Insgesamt siebzehn Brücken verbinden die einzelnen Partien des Gartens, jede in einem anderen Stil errichtet, so eine chinesische Brücke, eine Hängebrücke, eine Pontonbrücke, eine Klappbrücke. Schon all das ist eine
Exkursion nach Wörlitz wert.
Schließlich nähern wir uns der Felseninsel Stein, auf der der künstliche Vulkan ausbrechen wird, was wir von einer Gondel aus erleben wollen.
Die blaue Stunde bricht an und es fängt an zu grummeln, leicht bebt die Erde, Qualm steigt auf, bevor der kleine Vesuv Feuer speien wird und uns in Verzückung geraten läßt mit der gleichzeitigen Beruhigung, daß es nicht wirkliche Lava wie am neapolitanischen Vesuv ist, die uns entgegenquellen wird. So einzigartig dieses Gartenreich ist, so einzigartig ist dieses Erlebnis, das man besser nicht neumodisch Event nennen sollte, denn das wäre eine Verniedlichung und Herabwürdigung einer faszinierenden Einmaligkeit.
 
Jörg Aufenanger
 
Weitere Informationen: www.gartenreich.de