Rußlands fünfte Kolonne
AfD und BSW boykottieren Selenskyjs Rede
Von Lothar Leuschen
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Das Schöne an der deutschen Sprache ist auch, daß sie zu jeder Lebenslage den passenden Spruch bereithält. Das Zitat trifft auf Sahra Wagenknecht und die AfD im Bundestag zu. Dort hat der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, am Dienstag eine Rede gehalten, der weite Teile der AfD-Fraktion und das BSW fernblieben. Selenskyj hielt sich in Berlin auf, um an einer Geberkonferenz teilzunehmen, die helfen soll, die immensen Schäden zu beseitigen, die Rußlands Angriff auf die Ukraine verursacht hat. Laut Weltbank geht es um bisher annähernd 500 Milliarden Euro. Die Ukraine ist auf lange Sicht nicht in der Lage, diese Summe aufzubringen. Insofern ist die Reaktion der ganz Linken und der ganz Rechten nicht nur entlarvend, sondern auch zynisch.
Daß es der ehemaligen Linken und heutigen Wagenknecht-Getreuen, Sevim Dagdelen, nicht einmal mehr peinlich ist, Selenskyj Kriegstreiberei vorzuwerfen, zeigt deutlich, daß mit dem BSW auch außenpolitisch kein Staat zu machen ist. Daß Wagenknecht in vermutlich uralter Verbundenheit aus Sowjetzeiten als Steigbügelhalterin Putins nach Deutschland und Europa fungieren will, ist nicht neu. Daß ihre Partei aber so unverhohlen Position bezieht wie jetzt im Bundestag, läßt sich vermutlich nur auf den Trugschluß zurückführen, nach dem guten Abschneiden bei der Europawahl übers Wasser gehen zu können. Von einer Partei wie der AfD, die sich kaum bemüht, ihre verräterischen Rußlandkontakte zu verschleiern, war auch am Dienstag nichts anderes zu erwarten als Ignoranz.
Sicher und sichtbar ist nun aber für jedermann, wem insgesamt mehr als 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler am Sonntag ihre Stimmen gegeben haben. Das BSW und die Alternative für Deutschland haben offensichtlich beschlossen, die Interessen eines anderen Landes zu vertreten, die Interessen einer Autokratie, die zum Zwecke des Machterhalts und mit revisionistischen Motiven bereit ist, über Leichen zu gehen, egal, wie viele es sind. Rußlands fünfte Kolonne in Deutschland hat sich am Dienstag vereint zu erkennen gegeben.
Der Kommentar erschien am 12. Juni in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
|