Baden-Badener Blitze

Otto Jägersberg – „Abendblätter“

von Frank Becker

Baden-Badener Blitze
 
134 neue Miniaturen
 
 
Amerikaner applaudieren, wenn die Sonne untergeht.
Das macht sie sympathisch gegenüber denjenigen, die
Einen Sonnenuntergang hinnehmen wie ein Spiegelei.
 
Man hatte ja schon Entzugserscheinungen. Immerhin sind seit „À la carte“ fast zwei Jahre vergangen. Doch mit Otto Jägersbergs neuer Sammlung kurzer Prosa „Abendblätter“ ist die Durststrecke überwunden.
Mit 134 Stücken kommt das bekannte Vergnügen seiner Gedankenflüge zurück, die mal mit einem oder drei, vier knappen Sätzen, gelegentlich auf Seitenlänge Jägersbergs Befindlichkeiten darlegen. Einiges entspringt seinem Baden-Badener Hier und Jetzt, schließlich lebt der aufmerksame Beobachter in diesem pittoresken Städtchen an der Oos, anderes zeigt elegante Weltsicht.
 
„Treffen wir uns doch in der Pianobar. War zum Beispiel ein Heiratsschwindler oder Hochsrtapler zur Fahndung ausgeschrieben, begab sich der Polizeidirektor von Baden-Aben in die Pianobar im Brenners, und nach zwei drei Pilsen war der Fall gelöst.“
 
Die Pianobar kommt auch noch mal vor, dazu Fürstenhochzeiten in der Frühzeit des Deutschen Fernsehens, dito die Tour de France (grad heute wieder hochaktuell). Stoff geben auch leere Zigarrenkisten, die Unbrauchbarkeit von Computern und Kinder bei dm her, ebenso Georg Groddeck, Bahnfahrten, Wilhelm Hauff und Johann Peter Hebel oder ein Opernball in Karlsruhe.
Otto Jägersberg schreibt Texte zum Genießen, zum Wiederlesen, zum Schmunzeln – Appetithappen, köstliche literarische Amuse-gueules von Rang. Sehr zu empfehlen.
 
Freiheit ist immer vorläufig.
 
Otto Jägersberg – „Abendblätter“
© 2024 Diogenes Verlag AG, 173 Seiten, gebunden, Ganzleinen mit Schutzumschlag – ISBN 978-3- 257-07275-4
25,- €
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch