Altwerden ist Luxus
Zuzahlung für Altenpflege wieder gestiegen
Von Lothar Leuschen
Das System funktioniert nicht. Anders sind die Zahlen nicht zu interpretieren, die jetzt für die private Zuzahlung in Altenpflegeheimen veröffentlicht worden sind. Demnach müssen Bewohner von Seniorenheimen im Durchschnitt pro Monat inzwischen mehr als 2800 Euro aus eigener Tasche aufbringen. Der Betrag sinkt in den Folgejahren durch öffentliche Zuschüsse aus Steuerkassen zwar. Aber bis er eine Höhe erreicht, die mit einer halbwegs normalen Rente in Deutschland vergleichbar ist, gehen einige Jahre ins Land. Sicher ist, daß die betroffenen Senioren einen erheblichen Teil ihres Ersparten aufgebraucht haben werden, oder daß Angehörige mitbezahlen oder daß die Sozialämter die Lücke schließen, die zwischen Renten- und monatlicher Zuzahlung für den Altenpflegeplatz entsteht. Da ist einiges faul.
Die Schwachstellen sind verhältnismäßig leicht zu finden. Die Betreuten müssen mit ihren Monatszahlungen beispielsweise zum Teil auch die Investitionskosten für das Heim abdecken, in dem sie leben. Auch die Ausbildungskosten für Pflegerinnen und Pfleger sind anteilig im Mietpreis enthalten. Der beläuft sich im übrigen auf deutlich mehr als die durchschnittlich 2800 Euro, die zugezahlt werden müssen. Je nach Pflegestufe kommt beinahe noch einmal dieselbe Summe hinzu, die aus der schon arg strapazierten Pflegekasse bestritten wird.
All das zeigt einerseits, dass die Pflegeversicherung von Beginn an falsch berechnet gewesen sein muß. Es zeigt andererseits, dass Pflege in Deutschland grundsätzlich viel zu teuer ist, was vermutlich nicht nur an den Gehältern liegt, die in der Pflege mittlerweile bezahlt werden müssen. Hinzu kommen sicher staatliche Auflagen und der typisch deutsche Formalismus, der Leistungen verläßlich und vergleichbar machen mag, aber eben auch wesentlich teurer ist. Im Ergebnis führt all das zur ernüchternden Erkenntnis, daß Altwerden in Deutschland sich mehr und mehr zum Luxusgut entwickelt. Wer dann auch noch ein Pflegefall wird, ist in der Regel sehr gut betreut, aber wirtschaftlich sehr arm dran.
Der Kommentar erschien am 11. Juli in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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