„Die Lustigen Weiber von Windsor“

als Saisonschluß in der Oper Wuppertal

von Johannes Vesper

Foto © Bjoern Hickmann

„Die Lustigen Weiber von Windsor“

als Saisonschluß in der Oper Wuppertal
 
Krieg, Hunger, Klimakatastrophe, Nationalismus überall, da scheint die Oper mit dem Titel „Apokalypse“, jetzt in Nürnberg uraufgeführt, passender. „Dennoch unverzagt“ ging in Wuppertal die Spielzeit anders zu Ende. Bei „Die „Lustigen Weiber von Windsor“ handelt es sich um die heiterste und populärste Oper der deutschen Opernliteratur. Falstaff wollen alle Frauen, glaubt er. Beim Wetttrinken gewinnt er gegen alle. Schließlich trainierte er dafür bekanntlich „schon als Büblein klein an der Mutterbrust“. Aus Otto Nicolai (1810-1849) wollte sein ehrgeiziger Vater ein Wunderkind machen. Das Trietzen konnte er nicht ertragen. So floh er mit 16 Jahren aus dem Elternhaus. In Berlin wurde er von Carl Friedrich Zelter unterstützt, und studierte Kirchenmusik. Bei der Wiederentdeckung der Matthäuspassion 1830 sang er den Jesus und ging als Organist an die Kapelle der preußischen Gesandtschaft im Vatikan. Fasziniert von der italienischen Oper, hatte er als Komponist in Italien durchaus Erfolg, bevor er als Erster Kapellmeister an die Hofoper in Wien berufen wurde, wo er mit dem Opernorchester am 28.März 1842 ein großen Konzert veranstaltet hat, welches als Gründung der Wiener Philharmoniker gilt. Nach seinem Wechsel an die Berliner Staatsoper wurde dort 1849 unter seinem Dirigat „Die Lustigen Weiber“ uraufgeführt und 2 Monate später starb er am Schlaganfall. Das Libretto stammt vom Komponisten selbst und von Hermann Salomon Mosenthal (1821-77).
 
Schon während der Ouvertüre kam das Opernpersonal gestikulierend von rechts und links auf die Bühne, prügelte sich schon mal ein bißchen; ein Polizist rannte dazu. Musikalisch beginnt das Ganze mit einem hohen Streicherorgelpunkt, unter dem ein ernstes Cellothema gemächlich auf- und absteigt. Bei zunehmendem Tempo kündigen sich die Verwicklungen schon musikalisch an.
Die Pelzhändlerinnen Frau Reich (Viola Zimmermann) und Frau Fluth (Margaux de Valensart) mußten empört feststellen den gleichen Liebesbrief von Falstaff (Erik Rousi) erhalten zu haben. Bei anfänglich verhaltener Stimmenzartheit ihres Duetts setzten sie sie sich aber später im Verlauf auch im Ensemble problemlos durch. Sangmin Jeon als Fenton behauptete sogleich mit Schmelz, Innigkeit und großer Stimme an Lieb und Treue reich zu sein. Auf seine Anne machten sich aber auch Junker Spärlich (Yu Hyeok Lee) und Dr. Cajus (Yancheng Chen) Hoffnung. Schon im 1. Bild wird das Konzept des nachhaltigen Bühnenbildes deutlich, mit dessen Kernelementen, schnell verschoben und gedreht, das Bühnenbild für alle Szenen leicht verändert werden kann. Dieses modulare Bühnenbild dient einer nachhaltigen Musiktheaterproduktion, wozu sich die Oper Wuppertal verpflichtet hat. Im 2. Bild (Zimmer der Damen) hofft der fette Sir John auf die Gunst der „Lieblichste der Tauben“, („Du sollst meine Lady sein“), die sich zum Schein auf in einläßt, als die Kumpanin Reich den eifersüchtigen Ehemann ankündigt und Sir John sich im Wäschekorb verstecken muß. Die Damen lachen und das Orchester mit kurzem Staccato der Holzbläser gleich mit. Der getäuschte Ehemann findet keinen Nebenbuhler und der Dicke landet mit dem Wäschekorb in der Themse.
 

Foto © Bjoern Hickmann

Im 2. Akt kommen die Jäger aus dem Foyer durch den Zuschauerraum in ein Wirtshaus mit sehr langer Theke. Sir John trinkt alle unter den Tisch und bekennt, daß er schon als „Büblein klein an der Mutterbrust…“ keinen Trank verschmäht hat. In der nächsten Szene im Garten mit Gefühlsnebel über der Bühne bringt Fenton seiner Anna das berühmte Ständchen „Horch die Lerche singt im Hain ...“, wozu die trillernde Querflöte den Vogel gibt und die Harfe die Stimmung. Das Duettino von Fenton und Anna mit dem großen Violinsolo wurde innig und zu Herzen gehend von allen dreien vorgetragen, ein musikalischer Höhepunkt unter dem einfühlsamen wie sicheren Dirigat von Immanuel Karle an diesem Abend. Es bleibt festzustellen, daß alle Sängerinnen und Sänger mit großem Ausdruck, blitzsauberer Akkuratesse und wunderbarer Intonation auch in den zahlreichen Ensemble- und Chornummern reines Opernvergnügen geboten haben, ganz abgesehen von lebhafter und lebendiger Bühnenpräsenz. Der fulminante Ehestreit zwischen Frau Fluth und ihrem eifersüchtigen Ehemanne war musikalisch wie spielerisch das reine Vergnügen. Anna (Natalia Labourdelle) setzt zuletzt sich gegen die Eltern durch, verkuppelt beide von Eltern ausgesuchte Ehepartner miteinander, heiratet heimlich ihren Fenton und besingt mit großer, bis in höchste Höhen mit eleganter differenzierter Stimme musikalisch bewegend ihre Träume. Im letzten Bild (holde Nacht dunkler Wald goldene Sterne am Himmel) wird musikalisch Bezug genommen auf die Ouvertüre. Endlich drangsalieren und peinigen die Elfen mit weißen Ballons in der nächtlichen Waldszene musikalisch souverän wie theatralisch einfallsreich als Mücken-Fliegen-Wespenchor den genasführten Falstaff. Das Leben ist gottseidank ein Theaterspiel und in der Oper gibt es ein Happy End.
 
Nicolai, der die italienische Oper über alles liebte, wird im Programmheft zitiert, „der Italiener geht ins Theater, um sich zu vergnügen“. Das taten die Wuppertaler an diesem glänzenden Abend auch. Wie Frauen mit Männern oder Männer mit Frauen umgehen, fasziniert zeitlos. Eifersucht, Anmache, Zicken und natürlich Liebe waren für Shakespeare vor 500 Jahren schon das Thema, welches mit den „Lustigen Weibern“ und ein halbes Jahrhundert später mit Verdis „Falstaff“ zu Höhepunkten in der Geschichte Oper wird. Wie selbstbewußt Anna, die Tochter des Pelzhändlers, hier 1849 ihr Leben selbst bestimmt, überrascht. Emanzipation gab es also schon vor und unabhängig von der Frauenbewegung. Langen und großen Applaus mit Bravi und begeisterten Pfiffen gab es am Ende für diese spielfreudige, lebendige, unterhaltsame Inszenierung, die den musikalischen Witz und die Poesie dieser romantischen Oper von erstaunlicher Länge (knapp drei Stunden) unterhaltsam auf die prächtige Bühne gebracht hat.
Beim Hinausgehen stand das Sängerensemble in Kostümen mit der Intendantin im Foyer, um sich für die Sommerpause zu verabschieden.
 

Foto © Johannes Vesper

In der kommenden Spielzeit wird die Produktion wieder aufgenommen, nachdem bei „Salome“ zu erleben war, welches Unglück die Frau in die Welt bringt
 
Besetzung:
Immanuel Karle – Dirigent. Anja Kühnhold – Inszenierung. Anna Sophia Blersch – Bühne und Kostüme. Ulrich Zippelius Choreinstudierung. Dramaturgie – Laura Knoll.
Sir John Falstaff – Erik Rousi. Herr Fluth – Zachary Wilson. Herr Reich – Michael Ronan. Fenton Sangmin Jeon. Junker Spärlich – Yu Hyeok Lee*. Dr. Cajus – Yancheng Chen*, Frau Fluth Margaux de Valensart. Frau Reich - Viola Zimmermann. Jungfer Anna Reich – Natalia Labourdelle*. Der Kellner – Oliver Picker. Erster Bürger – Marco Agostini. Zweiter Bürger – Andreas Heichinger. * Opernstudio NRW) .