Das Glas ist halbvoll

Die Europameisterschaft geht zu Ende

von Lothar Leuschen​

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Das Glas ist halbvoll
 
Die Europameisterschaft geht zu Ende
 
Von Lothar Leuschen
 
Sportlich hätte es schlimmer kommen können, kam es aber nicht. Das Turnierende im Viertelfinale gegen gleichwertige Spanier ist für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zwar keine Blamage. Aber daß viele Experten trotz der Niederlage erleichtert aufatmeten, hat gezeigt, daß Deutschland kleinere Brötchen zu backen scheint. Dabei ist es für den vierfachen Welt- und dreifachen Europameister allenfalls eine durchschnittliche Leistung, im EM-Endturnier unter die letzten Acht gekommen zu sein. Da muß ein ganz anderer Anspruch her.
 
Dennoch läßt sich am Tag vor dem Endspiel zwischen Spanien und England sagen, daß Deutschland diese Europameisterschaft gewonnen hat. Dieses Turnier ist das Gesamtkunstwerk einer tief verunsicherten Gesellschaft, die sich aus einer vermeintlich prekären Ausgangslage zu einer immensen Glanzleistung aufschwang. Das Zusammenspiel aller Verantwortlichen funktionierte in einer Weise, wie es sich die Macher um Turnierdirektor Philipp Lahm vor dem Eröffnungsspiel höchstens erträumt hatten. Das gilt trotz der auch während des Turniers vorhandenen Schwächen der Bahn. Es gilt trotz der Peinlichkeit, die Niederländer auf der Schiene nicht rechtzeitig zu einer Pressekonferenz gebracht zu haben.
 
Gemessen an den Befürchtungen vor allem um die Sicherheit des Turniers und der Millionen von Fußballfans sind sowohl das doch zu frühe Ausscheiden der deutschen Nationalelf und die bisweilen aufgetretenen Schwächen in der Personenbeförderung Petitessen. Kein Anschlag, keine größeren Ausschreitungen, statt dessen freundliche Gäste und freundliche Gastgeber an allen Spielorten von Berlin über Düsseldorf bis München, perfekt geschulte Helfer an den Stadien, teilweise sehr schöne Fußballspiele – ein Weltsportereignis aus einem Guß. Was Deutschland dem Fußball geboten hat, kann sich sehen lassen. Es zeigt, daß immer noch viel geht in diesem Land. Wenn der Plan stimmt, wenn alle am selben Ende des Taus ziehen, dann ist das deutsche Glas halbvoll. Mindestens.
 
 
Der Kommentar erschien am 13. Juli in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.