Inferno
Brunetti zweifelt zum 33. Mal
Das Ganze beginnt wie die Prügelei der Jets und der Sharks am Anfang der West Side Story – gelangweilte Jugendliche dreschen aufeinander ein, um den „Anspruch“ auf ein Territorium in Venedig zu erringen, bzw. zu verteidigen. Nur schreitet hier nicht Officer Krupke ein sondern Commissario Claudia Griffoni, die Bereitschaftsdienst hat. Daß sie einen der Jugendlichen, den 15jährigen Orlando Monforte persönlich nach Hause begleitet, als er nicht abgeholt wird, entwickelt sich zu einem der drei Hauptfäden der folgenden Ereignisse.
Orlando ist der Sohn eines früheren Carabiniere, der, bei seinem Einsatz im Irak-Krieg durch einen verheerenden Anschlag brandverletzt als Volksheld gilt, aber Zweifel an seiner Integrität aufkommen läßt. Womit wir beim zweiten Handlungsfaden sind, der Unterschlagung von Waffen und Ausrüstung und dem Kunstdiebstahl durch Plünderung der Museen damals im Irak.
Ein dritter, Brunetti nahe gehender Vorgang ist das Drangsal, dem sich der von ihm sehr geschätzte Kriminaltechniker Enzo Bocchese durch Gianpolo Porpora, einen halbwüchsigen kriminellen Nachbarsjungen ausgesetzt sieht. Hier kommt es zu einem ersten dramatischen Höhepunkt, und hier schlägt sogar Vice-Questore Patta völlig neue Töne an und zeigt sich zu allem bereit, sogar jenseits der Legalität, um Bocchese und die Polizei an sich zu schützen.
Wir erfahren ein bißchen mehr über Claudia Griffoni, die in Donna Leons Romanen eine erfreulich zunehmende Rolle spielt, treffen auf das bewährte ehrenhafte Personal der Questura und lernen traumatisierte Irak-Veteranen kennen und den Schmierenanwalt Beniamino Cresti verachten.
Der Roman ist wie Donna Leons Bücher stets angenehm und flüssig zu lesen, doch sind logische Brüche und fehlende Verbindungen in dem kompliziert angelegen Geflecht der Handlungsfäden nicht zu übersehen. Manches klingt überkonstruiert wie die Intrige Crestis oder das dramatische Feuer-Inferno zum Ende, anderes löst sich nicht zur Befriedigung des Lesers auf. Die Autorin stürzt ihren Commissario von Buch zu Buch in tiefere Skepsis dem italienischen Staat und seinen Organen gegenüber - und wie stets sind am Ende die einzigen Anker des immer illusionsloser werdenden Guido Brunetti seine Insel der Seligen, seine Familie und sein Rückzug zu den Klassikern der italienischen Literatur.
Donna Leon – „Feuerprobe“
Commissario Brunettis dreiunddreißigster Fall
( A Refiner's Fire) – Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Werner Schmitz
© 2024 Diogenes Verlag AG, 328 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag - ISBN: 978-3-257-07283-9
26,- €
Weitere Informationen: www.diogenes.ch
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