Hallo, Herr Taschenbier !

Rainer Kreusch, Schauspieler und Bühnenautor

von Frank Becker

Rainer Kreusch - Foto © Daniela Höhmann
Leute im Tal:

Rainer Kreusch, Schauspieler und Bühnenautor
 
Hallo, Herr Taschenbier !
 
Kinder lieben den sympathischen Darsteller - und er spielt und schreibt gerne für sie. Als Kreusch 1990 von seinen Mentor Herwig Mark ans Kinder- und Jugendtheater in Wuppertal geholt wurde, konnte er getrost die Ergebnisse aus Philosophie- und Germanistik-Studium über Bord werfen - seine jahrelangen Erfahrungen als Statist bei den Wuppertaler Bühnen kamen ihm da mehr zugute. Die Theaterluft, die er schon in der Statisterie geschnuppert hatte, das Federn der Bühnenbretter, das Rampenlicht halten ihn seit dem frühesten Beginn gefangen und im Vertrauen gesagt: Er will sich daraus nicht befreien. Süß und ehrenvoll ist es, für karges Brot über die Schreibmaschine gebeugt su sitzen, bzw. an der Rampe zu stehen und Gefühle auszuspielen, die in Jeden von uns schlummern oder toben. Das, sagt er, ist etwas wirklich Schönes.
 
Sein Wirken am KJT begann mit einer Rolle in „Aids-Fieber“, der seither jährlich zwei bis drei Stücke folgten, so u.a. „Die kleine Hexe“, „Ronja Räubertochter“ (mit Annika Kuhl), „Voll auf der Rolle“, „Eine Woche voller Samstage“, „Der Indianer will zur Bronx“. Zur Zeit steht er wieder mit viel Erfolg als Herr Taschenbier in „Neue Punkte für das Sams“ auf der Bühne. In den Sams-Geschichten ist Rainer Kreusch so überzeugend der Herr Taschenbier, daß Kinder ihn voller Begeisterung auf der Straße als diesen begrüßen. Ein wunderbares Erlebnis. Seine liebste Rolle aber war ihm bisher die des Inders in der Bronx, für die er seine Texte ausschließlich in Hindi lernen mußte und in der er permanent auf der Bühne präsent war, eine Anforderung, die ihm entsprach.
 
Mit der Bearbeitung von „Input“ für das KJT begann Kreuschs „zweites Leben“ am Theater, denn über das reproduktive Arbeiten hinaus packte ihn auch die Faszination am Produktiven, an Schreiben. Und weil er sich als Handwerker sieht, liefert Kreusch Solides ab. Seine Erkenntnis, daß Literaturtheorie und Praxis weit voneinander entfernt sind, kommt dem Ergebnis zugute. Kreusch schreibt für Kinder, in denen er ein wunderbares, ehrliches Publikum sieht: ohne intellektuelle Distanz erleben sie eine Aufführung sozusagen eins zu eins, geben ungefiltert sofort ihre Reaktion an den Schauspieler weiter, Das fordert enorm, im Darstellerischen wie beim Verfassen des Textes. Mit beachtlichen Erfolg wurde im Dezember '96 Kreuschs Bearbeitung von H.C. Andersens „Schneekönigin“ in Wuppertal aufgeführt. Das öffentliche Lob war einhellig.
 
Fertig zur Aufführung hält er eine Theaterbearbeitung des „Kleinen Hobbit“ bereit, für die er - ein einmaliger Vorgang in der Branche - von den Rechte-Inhabern eines unter Ausschließlichkeitsklausel bereits in Hamburg aufgeführten Stückes die Aufführungsrechte nur für Wuppertal und fürs hiesige Kinder- und Jugendtheater bekommen hat. Sein Stück wird noch in diesem Jahrhundert - voraussichtlich 1998 - aufgeführt werden.
 
Wenn Kreusch einen Text abliefert, hat die erste Inszenierung bereits im Kopf stattgefunden, doch er akzeptiert - wenn auch zähneknirschend - daß Regie und Schauspieler das Gelieferte unter Umständen als „Vorlage“, Ja „Steinbruch“ verwenden. Die künstlerische Freiheit auch der anderen bedeutet ihn viel; In seinen nüchtern-sachlichen Arbeitszimmer, in dem PC und Mousepad die alte Schreibmaschine abgelöst haben, sind neue Texte in Arbeit. Pläne treiben den 38-jährigen Theatermenschen. Das Kindertheater hat natürlich seine Grenzen, an die künstlerische Kreativität stoßen muß, also wurde Kreusch auch gerne an anderen Bühnen wirken. Seine Traumrolle? Der abgrundtief Böse. Auch die Figur des Ahasver beeindruckt ihn besonders, doch im Gegensatz zu diesem geht er voran, voran, voran...
 
Frank Becker, 18.1.1997