Mehr als beschwipste Nachgiebigkeit

Hellmuth Opitz – „Manches ist besser geküsst als gesagt“

von Frank Becker

Mehr als beschwipste Nachgiebigkeit
 
Die große Kunst der literarischen Lust
 
Es grenzt an geradezu unverzeihliches Nichtwissen, daß ich die Gedichte Hellmuth Opitz´ bislang nicht kannte. Dieser Hinweis gilt auch für Sie, falls …, denn was ich da bisher versäumt habe, quillt mir nun in seiner aktuellen Auswahl aus verschiedenen Lyrikbänden aus 40 Jahren und mit zehn bisher unveröffentlichte Texten übervoll entgegen, nimmt mich gefangen, ist pure Gedanken-, Lese- und Lendenlust.
 
Hellmuth Opitz schmiedet wie im Rausch der Liebe selbst unfaßbar schöne Sätze und Worte zu Gedichten voller Leidenschaft und Lust, wobei er Formeln findet, sprechende Bilder und Berührungen, die bisher Ungesagtes sagen, Gedanken sicht- und Gefühle sprechbar machen.
 
… als habe jemand eine Brausetablette in den Abend geworfen
… ihr Haar spricht fließend dunkelblond
… in der Kirche deines Körpers ging ich beten
… fast hätte ich das entsicherte Blau deiner Augen für einen Morgenhimmel gehalten
… und mit einem Mal springen Küsse wie Grashüpfer über mein Gesicht
… ich bog in die nächste Abgöttin ein wie einer der sich auszog das Lieben zu lernen
… jeder hingetupfte Kuß ein besitzanzeigendes Fürwort
 
Wer je geliebt hat findet sich in diesem Buch, wer je in einem bestimmten Moment einen liebevollen Klaps auf die Hand oder einen Kuß auf den Mund bekommen hat erlebt es hier mit heiterem Glucksen erneut. Wer nicht noch weiß, welche Magie, welcher Zauber in zarter Erotik wohnt, erfährt es in Hellmuth Opitz´ Gedichten ebenso wie das Geheimnis, welche Schönheit im Altern liegen und welche Leichtigkeit und Schwere im Abschied liegen kann. Taumelndes Begehren, das Wunder der Erfüllung, der heimliche Kuß, das Lassen, wo man halten möchte, das flüchtige wie das tiefe Glück – alles ist drin.
Opitz lesen bedeutet auf der Suche nach dem Wichtigsten in die Äste eines Kirschbaums, auf eine Sommerwiese, in ein halbdunkles Zimmer, an Bahnhöfe, in ein Café reisen, er läßt den heischenden Leser und die geneigte Leserin finden, träumen, entdecken, fühlen, kosten, genießen, lächeln, lachen, schmunzeln.
 
Vom Verlieren einer Schönheit,
die nichts von sich weiß
 
Anmut, sagt sie verwundert, legt den Kopf schräg,
Ohrringe beben nach aus blauem Plastik und
so groß, dass Papageien darin turnen könnten.
 
Und wieder: Anmut. Mit den Lippen hebt sie
das Wort auf - ein verwunschenes Fundstück -
und heftet es wie einen Button an ihren Jargon.
 
Anmut: Schönheit, die nichts von sich weiß,
längst vergessenes Zauberwort, das einst
ein Gesicht in ein Antlitz verwandeln konnte.
 
Antlitz, sagt sie lachend, schüttelt den Kopf,
dass die Ohrringe fliegen und klimpern,
das sanfte Nachplappern von Haut und Haar.
 
Diesem Band voller ungewöhnlich schöner, unter die Haut gehender Lyrik geben wir unser höchstes Prädikat, den Musenkuß* mit Sternchen.
 
Hellmuth Opitz – „Manches ist besser geküsst als gesagt“
Ausgewählte Liebesgedichte
© 2024 Pendragon Verlag, 120 Seiten, gebunden, Lesebändchen - ISBN-13: 9783865328809
20,- €
 
Weitere Informationen: www.pendragon.de