Ein bißchen Romeo, ein bißchen Julia

Kabale und Liebe in einer Inszenierung von Roland Riebeling

von Frank Becker

Kevin Wilke (Ferdinand), Thomas Braus (Präsident von Walter) - Foto © Bjoern Hickmann, Wuppertaler Bühnen

Ein bißchen Romeo, ein bißchen Julia
 
Kabale und Liebe
in einer Inszenierung von Roland Riebeling am Schauspiel Wuppertal
 
Es ist beschlossen; ich geh' zum Arzt und laß
Mir einen Trank zum ew'gen Schlafe geben…
(Plautus, Der Kaufmann)
„Romeo, ich komme! Dies trink ich dir zu.“
(Shakespeare, Romeo und Julia, 4. Akt, 3. Szene)
„Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.“
(Goethe, Faust I, Vers 732)
 
Inszenierung: Roland Riebeling – Bühne: Manfred Marczewski-Achilles – Kostüme: Silke Rekort – Dramaturgie: Elisabeth Wahle – Regieassistenz: Tom Dockal – Ausstattungsassistenz: - Anna Jurczak – Inspizienz: Ilja Betser 
 
Besetzung:  Thomas Braus:  Präsident von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten - Kevin Wilke: Ferdinand, sein Sohn Major - Alexander Peiler: Hofmarschall von Kalb - Julia Meier: Lady Milford, Favoritin des Fürsten - Hendrik Vogt: Wurm, Haussekretär des Präsidenten - Stefan Walz:  Miller, Stadtmusikant - Silvia Munzón López: dessen Frau - Paula Schäfer: Luise, deren Tochter  
 

v.l.: Stefan Walz (Miller), Kevin Wilke (Ferdinand), Thomas Braus (Präsident), Silvia Munzón López (Millerin) - Foto © Bjoern Hickmann, Wuppertaler Bühnen
 

Mit Standesdünkel fängt das Unglück an. Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“, 1784 uraufgeführt und in der Sukzession Lessings von ihm als Bürgerliches Trauerspiel bezeichnet, klagt an. Den Dünkel des Musikus Miller, der die Verbindung seiner Tochter mit dem adligen Major Ferndinand von Walter ebenso mißbilligt, für eine Mesalliance hält, wie Ferdinands Vater, der die Sache aus der arroganten Sicht des Präsidenten eines Fürstentums in umgekehrter Richtung so sieht. Beide wollen das verhindern, der eine durch aufgeblasenen Bürgerstolz und Maßregelung der Tochter, der andere machtbewußt durch Verhaftung, finstere Ränke und Intrigen. Daß die Liebe zwischen diesen Mahlsteinen zerrieben werden muß, ist in Zeiten von Absolutismus und Abhängigkeit auf der Hand liegend. Zumal beim damaligen Sturm- und Drang-Dichter Schiller. Und daß Gift als Lösung aller Probleme eine Rolle spielt wissen wir seit Plautus, Shakespeare und Goethe.
 
Kurz: Präsident von Walter (in der Inszenierung Riebelings alles überstrahlend Thomas Braus), instrumentalisiert skrupellos die abhängige Favoritin des Fürsten, Lady Milford (Julia Meier bleibt bei allem Einsatz zurück), die er zur Verlobten Ferdinands erklärt - und er setzt den erfolglos um Luise werbenden Sekretär Wurm (nicht ausreichend schleimig: Hendrik Vogt) und den affektierten Hofmarschall von Kalb (köstlich burlesk: Alexander Peiler) als Initiatoren einer Brief-Kabale ein, die schließlich den erstaunlich wankelmütigen Ferdinand (Kevin Wilke läßt Schneid und Verliebtheit ebenso wie Artikulation vermissen) zu Luises Richter werden läßt.
Apropos Artikulation und Akustik: Eine Blitzumfrage beim Publikum während der Pause und zum Schluß bestätigte eigenes Erleben – einzig Thomas Braus, Alexander Peiler und Silvia Munzón López in der Rolle von Luises Mutter waren während des Abends durchweg deutlich und rollengerecht zu verstehen. Beinah alles andere ging nach hinten gesprochen, vermurmelt oder unverständlich zerkaut akustisch verloren. Wer das Stück nicht kannte, war im Grunde aufgeschmissen. Der Dramatik schadete dieser Umstand erheblich.
 

v.l.: Alexander Peiler (Hofmarschall von Kalb), Thomas Braus (Präsident) - Foto © Bjoern Hickmann, Wuppertaler Bühnen

Kommen wir zurück zur Inszenierung, die sich ideenreich, gefällig und durchaus klassisch im Sinne Schillers zeigt. Roland Riebelings präzise Personenführung ist stimmig, stellt jeden Charakter an seinen Platz. Hilfreich dabei ist das hervorragende, bewußt sparsame und dadurch wirkungsvolle Bühnenbild von Manfred Marczewski-Achilles. Im Gegenüber auf der durchgehend offenen Bühne eines tiefen, hohen fürstlichen Empfangssalons mit erlesenem Mobiliar und einem die Stirnwand beherrschenden Monumentalgemäldes einer Reiterschlacht (mit Tapetentür) und einer durch geschickte Ausleuchten getrennten kargen Stube der Millers im vorderen linken Eck illustrieren Riebling/ Marczewski-Achilles das gesellschaftliche Gefälle. Die Nebenfigur des Hofes, Lady Milford erscheint logisch in einem ebenfalls durch Ausleuchtung definierten Nebenraum der offenen Szene. Brillant gelöst. Akustische Bonbons sind die Musikeinspieler zu Szenen- und Aufzugwechsel und tief beeindruckend das Schlußbild bei sich hebender Kulisse. Das schauen Sie sich bitte am besten selber an.
 
 
Ja, ich gebe mich überwunden, Schurke! Das Geweb´ ist satanisch fein. Der Schüler übertrifft seinen Meister.
v.l.: Hendrik Vogt (Sekretär Wurm), Thomas Braus (Präsident) - Foto © Bjoern Hickmann, Wuppertaler Bühnen

Puren Genuß schenkt Thomas Braus in der Rolle des bösen Präsidenten, da hätte es die arg überschminkte Maske gar nicht gebraucht – Braus kann das auch ohne Maske. Alexander Peiler als Hofmarschall von Kalb ebenfalls grotesk überschminkt zelebriert den eitlen Fatzke regelrecht zum Vergnügen des Publikums brillant. Maske (n.n.) und Kostüme (Silke Rekort) entsprechen ansonsten auf den Punkt der Zeit der Handlung
Silvia Munzón López als Millerin hat zwar nur geringen Anteil am Stück, dafür aber charaktervoll und akzentuiert. Kevin Wilke (Ferdinand) und Paula Schäfer (Luise) überzeugen wenig Hendrik Vogt (Wurm) könnte mehr, wenn man ihn ließe, und Stefan Walz als Musikant Miller kann kaum eingeordnet werden, so unverständlich war seine Akustik. Seine Körpersprache aber war der jeweiligen Situation angemessen - mal stolz, mal unterwürfig, mal aufbrausend - ausgezeichnet.
 

Paula Schäfer (Luise Miller), Kevin Wilke (Ferdinand von Walter) - Foto © Bjoern Hickmann, Wuppertaler Bühnen

Hier ist ein „echter“ Schiller mit gelungenen neuen Stilmitteln zu sehen – zu empfehlen, wenn sich an der Akustik etwas ändert. Da stört auch nicht, daß Ferdinand am Ende im Original den Vater einen Mörder nennt, hier aber sich selbst. Aber vielleicht hat er es ja auch gesagt, nur war es dann nicht zu verstehen ...
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de