Drama unter der Disco-Kugel
Saturday Night Fever im TiC-Theater
Inszenierung: Ralf Budde – Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Laura Trompetter – Bühne: Jan Bauerdick/Frank Fischer – Kostüme: Maya Fichtel/Noëlle Wörheide – Maske: Elke Quirmbach
Besetzung (Premiere): Maximilian Leuchter (Tony Manero) – Leonie Hackländer (Stephanie Mangano) Victor Kuhlen (Bobby C.) – Alexander Klein (Double-J) – Lucy Martens (Annette) – Anja Bielefeld (Gloria/Kellnerin) – Vassilis Sachinidis (Fosco/Pablo/Jay) – Astrid Gottschalk (Tonys Mutter/Kundin/Dico-Gast) – Livia Caruso (Linda/Connie)
Alles nur geklaut
Ohrwürmer, Dauerbrenner, Fußwipper – das Musical „Saturday Night Fever“ von Robert Stigwood (Manager der Bee Gees) und Bill Oakes (1998) ist voll von Songs, die in den 70er Jahren die Pop-Charts beherrschten, nicht zuletzt durch den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1977, der John Travolta zum Star machte und auf dem es basiert. Unübersehbar deutlich angelehnt an Leonard Bernsteins „West Side Story“ (1961) schildern Film und Stück die Ziellosigkeit enttäuschter Jugend, Bandenrivalität, ungewollte Schwangerschaft und Liebesfrust bis hin zur Vergewaltigung (das in dieser Aufführung allerdings dezent nur zu ahnen) mit Schlägereien und der Musik als Ventile. Die Hauptfigur des Tony ist inklusive dem Namen und der italienischen Herkunft ebenso von Bernstein abgekupfert wie der Tanzwettbewerb / Dance at the Gym (Calypso anstelle von Mambo) die Rivalität mit Puertoricanern sowie andere Handlungselemente wie Tonys/Tonys Job, der Tod und weitere Versatzstücke.
Drama, Songs und Tanz
Dramatische Handlung, Songs und Tanznummern in angemessener Weise auf eine relativ kleine Bühne zu bringen ist verständlicherweise schwer, dem Regisseur Ralf Budde und seinem engagierten Team im Atelier des entsprechend spezialisierten TiC aber erstaunlich gut gelungen. Das wie stets beim Umbau auf offener Bühne neben seinen anspruchsvollen Rollen eingespannte Ensemble leistete das in Jan Bauerdicks wirkungsvollem Bühnenbild geradezu unauffällig reibungslos. Musikalisch dank Stefan Hüfner wie immer hochwertig und in den Chorus-Nummern brillant sowie durch Laura Trompetters ausgefeilte Chroreographie besonders in den Ensemble-Nummern ein Genuß, ruhte der Erfolg des Abend im wesentlichen auf der musikalischen Darbietung. Vom Publikum der Zielgeneration 70er, das nostalgische Unterhaltung von den Bee Gees, KC & The Sunshine Band, MFSB oder Yvonne Elliman erwartete und keine Probleme wünschte, wurde folglich der bunte Disco-Glimmer begeistert angenommen.
Glimmer, Glitzer, Gloria
Darstellerisch im Zentrum überzeugte Maximilian Leuchter in seiner Rolle als aufgesetzter Macho und aufbegehrender, verführbarer Tony mit eigentlich weichem Herzen auch als Sänger, in der schwierigen Rolle der Annette leistete die wandelbare Lucy Martens auch stimmlich und tänzerisch Beachtliches. Durchweg eher etwas hölzern agierte Leonie Hackländer als umschwärmte Stephanie Mangano. Hingegen entfesselte Temperaments-Bombe Livia Caruso als Connie einen humorvollen Bühnen-Wirbelsturm, der ihr die Herzen aus dem Saal zufliegen ließ. Anja Bielefeld als glitzernde Gloria wurde von Ralf Budde raffiniert wie ein „roter Faden“ inszeniert. Neben ihren großen Solo-Auftritten sorgte sie durch quasi immerwährende Anwesenheit mit musikalischen Intermezzi pfiffig für den Fortbestand der Handlung, ein Bindeglied, das das Ganze elegant fließend zusammenhielt. Auch ihr galt der besondere Applaus des Publikums. Nicht zu vergessen Victor Kuhlen (als Bobby C. und Sänger überzeugend) und Alexander Klein, die Freunde Tonys, Vassilis Sachinidis (rassiger Tänzer und Raufbold) und Astrid Gottschalk als starrköpfige Mutter Tonys.
Was Kostümbild (Maya Fichtel/Noëlle Wörheide) und Maske (Elke Quirmbach) angeht, hätte noch mehr Glimmer, Glamour und schrille 70er-Jahre-Ausstattung sein dürfen. Erholsam ist hingegen, daß man dem gräßlich Falsettgesang der Bee Gees nicht ausgesetzt ist, der glücklicherweise nicht kopiert wird. Die Pop-tauglichen Stimmen des Ensembles reichen völlig.
Spieldauer: 2 Stunden 40 Minuten inkl. Pause
Ein Wort in anderer Sache noch: Es würde sich vor einer solchen rhythmisch-musikalischen Aufführung seitens des Theaters vielleicht empfehlen, dem offenbar völlig unmusikalischen Publikum ein paar Hinweise zum Mitklatschen zu geben: Bitte nicht auf 1! Denn offensichtlich kann es das nicht anders. Das geht vielleicht beim Blauen Bock. Aber eigentlich gar nicht. Und noch schlimmer: Weil oft noch nicht einmal auf 1 klappt, sondern auf 1¼ geklatscht wird, reißt man die Künstler unter Umständen aus Rhythmus und Konzept. Puh, das mußte mal raus. Übrigens: Auch das schrille Indianer-Geschrei und der überbordende Jubel der Claque bei jedem auch nur halbwegs gelungenen Ton, Tanzschritt oder Act nervt ungemein. Applaus ist das Brot der Künstler und den zu dosieren ist eine Kunst.
Weitere Informationen und Termine: www.tic-theater.de
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