Farbfotografie

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Farbfotografie
 
In meiner Jugend schwärmten die Menschen, die gerne die Welt und ihre Familie fotografierten, von den Farbfilmen, die unter den Namen Kodachrome oder Agfachrome auf dem Markt waren und Kulturgeschichte geschrieben haben. Der Weg zu diesen Spitzenprodukten beginnt bereits in der Frühzeit der Fotografie, nachdem es erstmals überhaupt gelungen war, mit Licht zu schreiben, wie man „fotografieren“ übersetzen kann. 1891 konnte eine „Methode der Photographie in Farbe mittels Interferenzmethode“ vorgestellt werden, wobei Interferenz das Ergebnis der Überlagerung von Wellenzügen meint. Über das Auslöschen einzelner Komponenten lassen sich dadurch nicht zuletzt Farbeffekte bewirken. Irgendwann begann man lichtempfindliche Stoffe in Schichten auf Filme aufzutragen; ab 1935 stellten die Firmen Kodak und Agfa die Dreischichtenfilme vor, die sowohl Amateure als auch Profis überzeugten.
     Das erste Farbfoto ist dem bereits oben erwähnten Physiker James Clerk Maxwell zu verdanken. Einfach und geschickt setzte er dafür additives Farbmischen ein. Maxwell fotografierte einen bunten Gegenstand durch drei Farbfilter - Rot, Grün und Blau - und projizierte die entsprechenden Aufnahmen - alle schwarz-weiß - übereinander auf eine Leinwand. Und so konnten Menschen 1861 auf die erste Farbfotografie blicken. Sie schauen bis heute mit wachsendem Vergnügen auf die bunten Bilder, die längst vom Display ihrer Smartphones leuchten. Zu den großen Herausforderungen für die Hersteller von Farbfilmen gehörte es seit je, die erstaunlich bunte Vielfalt von Vogelfedern oder Schmetterlingen festhalten zu können. Die Farbenpracht der Vogelwelt ist keineswegs einfach zu erklären, da zu ihr neben den üblichen Verdächtigen in Form von Farbstoffen wie Melanin auch die Struktur etwa von Pfauenfedern beiträgt, die lamellenartig angeordnet sind. Der Abstand zwischen solchen Lamellen ist mit seinen Zehntausendstel von Millimetern so an die Wellenlängen des Lichts angepasst, daß abhängig vom Einfallswinkel der Sonnenstrahlen verschiedene Farben das Auge erreichen. Zu den am meisten bewunderten Buntmeistern zählen die Schmetterlinge, die im frisch geschlüpften Zustand besonders intensiv gefärbt erscheinen. Ihre Pigmente mit herrlich leuchtenden Orange-, Gelb- und Rottönen können ihre volle Pracht entfalten, bevor das Sonnenlicht sie im Laufe des Lebens auszubleichen beginnt.
     Wer jetzt fragt, warum die Schmetterlinge so bunt sind, kann neben dem Gefallen, den Menschen daran haben und den man als Grund ruhig akzeptieren sollte, auch erfahren, daß leuchtende Falter sich auf diese Weise tarnen und ihren potentiellen Fressfeinden signalisieren, ungenießbar zu sein. Was wäre die Welt ohne diese Mimikry, also ohne die Fähigkeit zur Nachahmung? Ist nicht die ganze Welt eine schöne Täuschung? Ihre Schönheit entsteht erst im Kopf sowohl ihrer Betrachter als auch ihrer Betrachterinnen. Sie werden hier eigens genannt, weil Frauen in ihren Augen aufgrund ihrer genetischen Ausstattung zwei unterschiedliche Empfangsmoleküle für das Rot aufweisen können. Männern muß es reichen, überhaupt Rot zu sehen. Sie brauchen nicht mehr.
 
 
© Ernst Peter Fischer
 
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.