Cola-Rausch, Knusperspaß und Overstolz

„Weltstars aus Köln – Historische Werbefilme“

von Frank Becker

© Tacker Film
Schöne frühe Werbewelt
 
Weltstars aus Köln –
Historische Werbefilme
 
Kaum etwas ist heutzutage besser geeignet den Zeitgeschmack, das Selbstverständnis und das Konsumverhalten der jüngeren Geschichte zu illustrieren als historische Werbefilme. Wolfgang Dreslers in Köln ansässige „Tacker Film“-Produktion hat sich auf die Auswahl und Zusammenstellung solcher Werbefilme spezialisiert und schon manch unterhaltsame DVD zum Thema vorgelegt. Eine ganze Reihe davon wurde ja auch schon in den Musenblättern vorgestellt. In einer neuen Produktion nimmt sich Wolfgang Dresler Waren und Produkte aus der geschäftstüchtigen, quirligen rheinischen Metropole vor: „Weltstars aus Köln“. Das bedeutet in diesem Fall: 4711, Farina, Afri Cola, Ford, Overstolz, Stollwerck. Wohl kaum jemand – auch der jüngeren Generation - kennt diese Markennamen nicht. Überwiegend aus den 50er bis 70er Jahren stammen die von der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln zur Verfügung gestellten Werbestreifen, die das Spektrum einer teils längst „Kult“ gewordenen Warenwelt nostalgisch schillern lassen. Daß Köln „mehr als nur Kölsch und Karneval“ ist, wird dabei eindrucksvoll und unterhaltsam belegt.
 
Düfte aus Köln
 
Die Kampagnen der Firma „4711 Echt Kölnisch Wasser“ nehmen dabei einen breiten Raum ein, sie haben durch ihre teils epische Länge mitunter nahezu Kurzfilmcharakter. Mit Spielfilmhandlung und viel Personal/Ausstattung wird die Geschichte des Markenzeichens „4711“ aus der Zeit der

© 4711 / Tacker Film
napoleonischen Besetzung des Rheinlandes erzählt und mit viel Aufwand und namhaftem Personal eine – zugegeben recht dümmliche – kleine Ehegeschichte, in der immerhin der Burg-Schauspieler Ernst Stankovski, Carlos Werner und (hier könnte ich mich irren) Eva-Maria Meinecke mitspielen. Bis in die Flower-Power-Zeit reichen die Spots, die bei der „Young Generation“ trotz Anbiederung allerdings ohne Erfolg für das Duftwasser aus Köln warben, und nie fehlt der klassische Slogan von 4711: „Schenke von Herzen, doch was es auch sei, 4711 ist immer dabei“.
Etwas dynamischer und zeitangepaßter zeigt sich das Konkurrenzunternehmen „Farina“ mit seiner Werbung, denn dort setzte man in den 60ern und 70ern eher auf Zeitgeschmack. Harte Kerle mit Smoking und Lamborhini standen für „Russisch Leder“, und mit der blonden Werbeikone Maria Brockerhoff im Boot war man dichter an der Zeit. Zwar war auch Farina „Echt Kölnisch Wasser“ (die älteste Produktion am Platze), aber weniger verstaubt mit Farina Rote Marke und karibisch frischer mit „Maritim“ und „Barbados“.
 
Cola-Rausch und Knusperspaß
 
Die Cola „jung und sportlich“ in der ungewöhnlichen, originellen Flasche von Jupp Ernst verlieh in ihren witzigen Zeichentrickfilmen schon Flügel, lange bevor eine Brause aus dem Salzkammergut das mit Erfolg nachmachte. Ein Knaller aber wurde die Afri Cola-Werbung hinter vereisten und

Afri Cola-Flaschen von Jupp Ernst - Foto © Frank Becker
behauchten Glasscheiben durch die innovativen, kühnen Werbefilme aus der Werkstatt des Fotografen Charles Wilp. Der erfand den lüsternen Afri-Cola-Rausch und kreierte die skandalträchtigen Streifen für die sexy-mini-super-flower-pop-op-Cola – „… alles ist in Afri-Cola“. Gibt es wieder und ist wie Bluna und Sinalco heute Kult.
Nicht Kult, aber lecker ist Stollwerck, die Kölner Schokoladenmarke, die mit ihren Marken Alpia (hmmm…), Reichardt Schokli („Spaß am Abend“), Pepitas („Spaß im Mund“, bevor es Smarties gab), und der Telebar für Walter Giller vor allem in den 60ern und 70ern auf dem Bildschirm warb. „Der süße Hauch“ und „Flavour“ waren der wenig erfolgreiche Versuch, sich wie Afri-Cola der Konsumentengruppe Jugend zu nähern. Knuspergold für Mutti mit dem Stollwerck-Stern als Markenzeichen aber war wie die erste edle Bitterschokolade „Schwarze Herrenschokolade“ schon in den 50ern populär und warb mit heiteren kleinen Einspielern. Der sympathische Hans Imhoff, Aufsichtsrats-Vorsitzender von Stollwerck, machte später den Vorreiter der personalisierten Werbung, mit der heute die Hersteller von Kindernahrung, Unterwäsche, Bio-Lebensmitteln, Motorenöl u.v.a.m. für ihre Produkte in den Ring steigen. Und Alpia blieb trotz der hölzernen Sprüche von Hennes Weisweiler eine der besten Vollmilch-Schokoladen.
 
Weltkugel und Badewanne
 
Eine der ganz großen Kölner Marken, die natürlich in einer solchen Zusammenstellung nicht fehlen darf, ist Ford. Deren Produkt-Reihe Taunus 12 M bis Ford 20 M und der Transportbus Ford Eilfrachter mit seinen Varianten werden in Original-Werbeclips vorgestellt. Der Taunus 12 M mit der legendären Weltkugel als Schmuck der Haube, sein kompakter 12 M-Nachfolger, der traumschöne Ford 17 M P 2 mit Heckflossen-Ansatz nach amerikanischem Vorbild und der elegante 17 M P 3 (die „Badewanne“), das schönste Auto, das Ford Deutschland je baute und bis heute mein Lieblingsmodell, haben Automobilgeschichte geschrieben. Da hätte man gerne mehr gesehen. Der Tacker-Film „Chromveteranen“ geht näher darauf ein.
 
Man findet viel Geschmack …
 

Foto © Frank Becker
… am Overstolz Tabak. Jaja, das Rauchen gehörte seinerzeit zum guten Ton und zur besseren Lebensart. Vergessen wir also bitte nicht die Overstolz in der orange-farbenen Packung, eine der führenden deutschen Zigarettenmarken dieser Zeit aus dem Haus Neuerburg. Dort setzte man auf Seriosität und feine Lebensart, wofür man die vornehmen älteren Herren der Werbung versammelte, darunter auch den legendären Asbach Uralt-Gentleman, Sie wissen schon: „Wenn einem also Gutes widerfährt…“. Der agiert in einem Werbestreifen – man beachte! – gemeinsam mit dem berühmten zweiten Fernsehkoch Hans Karl Adam und dem Kabarettisten Jürgen Scheller, in einem anderen Streifen tritt der große alte Albert Florath auf. „Leicht bekömmlich muß sie sein, wie die Overstolz vom Rhein!“
 
 
„Weltstars aus Köln – Historische Werbefilme“
aus der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln

© Tacker Film
© Tacker Film
Kapitel: Werbefilme für 4711 (11:42), Afri Cola (5:13), Farina (2:49), Ford (4:47), Overstolz (2:57) und Stollwerck (8:57) in Farbe und s/w; angehängt drei historische Industriefilme über Klöckner-Humboldt-Deutz (34:06) und die Autofabrikation bei Ford in Köln (16:19).
Gesamtspieldauer: ca. 86 Minuten
 
Zusätzlich gibt es eine DVD mit fünf historischen Werks- und Werbefilmen  aus dem Archiv des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs zu Köln, „Motoren für die Welt“, die über Nicolaus August Otto, die Motorenmontage 1953 in Köln-Deutz, die Motorisierung der gewerblichen Wirtschaft 1958, den Alltag eines Lkw-Fahrers in den 50er Jahren und die Ulmer Magirus-Deutz-Werke  berichten.
Gesamtlaufzeit ca. 82 Minuten
 
Weitere Informationen: www.tackerfilm.de