Seemannsbraut ist die See...
Nagelritz singt Ringelnatz
Mit Reisekoffer und Schifferklavier kommt er die Straße herunter, die Arme tätowiert - rechts eine Nixe („Kuck ma, wat die für große Möpse hat!“), links Herz, Anker und „Mary“ auf dem Kopf die Matrosenmütze und den Schalk im Nacken. Der Auftritt beginnt wirkungsvoll schon draußen vor dem Gründerzeit-Bürgerhaus Langenberg.
Moment mal, denkt man und schaut zweimal hin, Moment mal, der sieht ja aus wie... Dirk Langer sieht tatsächlich aus wie Hans Bötticher, besser bekannt als Joachim Ringelnatz, und Nagelritz ist nicht nur zufällig eine nahezu-Anagramm. Hier manifestiert sich eine tiefe Seelenverwandtschaft, zu sehen in den Augen und zu hören, wenn er den Mund auftut und Seemannsgarn spinnt oder mit dem Schifferklavier vor der Matrosenbrust die Texte des großen deutschen Lyrikers singt, der über sich gedichtet hat: „Ich bin etwas schief ins Leben gebaut...“.
Durch die Vermittlung und Freundschaft des Langenberger Regisseurs Thomas Rascher konnte der gebürtige Essener und Neubremer Dirk langer mit seinem Programm „Für meine verlassenen Bräute“ für ein Gastspiel im Bürgerhaus gewonnen werden. Wer gekommen war - es waren erfreulich viele - bereute es nicht. Da erzählt einer schnurrige Geschichten von See, natürlich erlogen, verteilt Schnäpse und Ahoi-Brause (die mit dem Matrosen) ans Publikum, ist frech und derb und hat ein Mundwerk, so groß wie das Tor zur Welt.
Nagelritz erzählt deftig von seinen Kombüsen- und Hafenabenteuern, seiner ersten Fahrt mit Seekrankheit, von den verlassenen Bräuten und dem Fliegenden Holländer, daß die See hoch geht. Aber dann nimmt er das Schifferklavier und singt - singt Texte von Ringelnatz, Lieder nach dessen Gedichten, die er beachtlich vertont hat, voller Melancholie und angemessen deren feinem Sinn. Dabei hat er diesen wehmütigen, verletzlichen Blick, der dem eigen ist, der vom Leben betrogen in der Sehnsucht lebt, im Heimweh.
Dirk Langer präsentiert den besinnlichen Ringelnatz, den Poeten mit in grobe Worte gehüllten zarten Gefühlen. Und der Hocker, auf dem er sitzt, knarrt wie ein alter Schoner in der Dünung. Die Schnaps-Buddel wird leer. Zum Abschied gibt's auf den Weg Ringelnatzens „Liebesnacht-Wörtchen“: „Ja--ja--ja!!--ja!!!-- / Du hast so süße Höschen / Nun sind wir allein. Und es ist Nacht. / Ich hätte ich dir doch ein Röschen/Mitgebracht.“ Großer Beifall. Als Joachim Ringelnatz 1934 starb, hinterließ er keinen Bruder - jetzt hat er einen: Nagelritz.
Eine CD zum Programm gibt es auch: Nagelritz „Für meine verlassenen Bräute“, Klangwerft, Best.-Nr. 993, Tel/Fax 044536358, DM 25,-
Informationen: www.nagelritz.de
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