Irgendwo im Nirgendwo - oder: Warten auf …

„Monte Rosa“ von Teresa Dopler im Schauspiel Wuppertal

von Frank Becker

v.l.: Alexander Peiler, Stefan Walz - Foto © Christoph Sebastian

Irgendwo im Nirgendwo
 
oder
 
Warten auf …
 
„Monte Rosa“ von Teresa Dopler
Eine Groteske mit Tiefgang
 
Inszenierung & Bühne: Peter Wallgram - Kostüme: Miriam Grimm - Musik: Michael Mühlhaus - Dramaturgie: Marie-Philine Pippert - Regieassistenz: Tom Dockal - Inspizienz: Ilja Betser

Besetzung: A: Alexander Peiler - B: Stefan Walz - C: Kevin Wilke

»Der wichtigste Muskel eines Bergsteigers ist sein Gehirn.«

Was hier auf der schlichten, jedoch wirkungsvollen kleinen Bühne, einem Guckkasten gleich, als die Begegnung dreier Männer, dreier Charaktere beim Aufstieg auf einen Berg aufgeführt wird, entpuppt sich recht bald zum Abstieg in die entlarvenden Niederungen menschlicher Existenz.
Das Bild einer namenslosen kahlen Gebirgslandschaft mit einem einzelnen Felsen weckt schon beim ersten Blick die Ahnung eines Beckettschen Nichts, in dem A und B wie einst Wladimir und Estragon aufeinandertreffen.
Man befindet sich offenbar auf ca. 3000 m Höhe, suggeriert von der erwähnten Passage der Europahütte (2693 m) am Südwestgrat des Kraxentrager auf Grenze zwischen Südtirol (Italien) und Tirol (Österreich).
 

Berg-Kameradschaft beschlossen - v.l.: Stefan Walz, Alexander Peiler - Foto © Christoph Sebastian

Alexander Peiler (A) und Stefan Walz (B) treffen zunächst aufeinander, erkunden einander im prahlerischen Dialog voller Allgemeinplätze über das Wetter, die Bergsteigerei, vor allem aber in tiefem Mißtrauen über die Fähigkeiten des anderen und markieren Stärke, behaupten unschlagbare Fitness. Man schwärmt von denTouren, die man angeblich bewältigt hat, von den Dolomiten im nordöstlichen Italien, vom Matterhorn auf der Grenze des Schweizer Kanton Wallis und des italienischen Aostatal, vom Monte Rosa auf der Grenze der Schweiz und dem italienischen Piemont, glaubt den Montblanc auf der Grenze Frankreich und Nordwest-Italiens zu sehen, einmal gar das Meer im tiefen Süden. Ein Phantasie-Szenario irgendwo im Nirgendwo. Könnte der jeweils andere ein guter Berg-Partner sein? Schon hier zeigt sich das Gefälle zwischen der Stärke und Schläue von B und dem brüchigen Selbstbewußtsein von A. Die beiden einigen sich auf eine zeitlich begrenzte Partnerschaft, wiewohl A ganz offenbar schon hinsichtlich seines Umgangs mit der Ausrüstung ein schludriger Angeber ist.


Abtasten - Fit genug? - v.l.: Kevin Wike, Alexander Peiler, Stefan Walz - Foto © Christoph Sebastian

Lichtwechsel, Wetterkulisse, Musikeinspielungen und Dialoge illusionieren Zeitsprünge und Ortswechsel, die genannten Berge machen deutlich, daß man sich stets in Grenzsituationen befindet, örtlich, charakterlich, persönlich.
Hinzu kommt wie ein Pozzo nach einiger Zeit C (Kevin Wilke), der scheinbar smart und fähig, sich doch schnell als gewissenlos, unkameradschaftlich und feige entlarvt, erkennen läßt, daß er völlig unzuverlässig, also denkbar ungeeignet für eine Berg-Kameradschaft ist. Dennoch zwingt er den schwachen A trotz freimütiger Aussage, daß er ihn sogleich verließe, solle man auf eine Seilschaft treffen, argumentativ in die Knie und überredet ihn zur Partnerschaft. Beim wörtlich und körperlich zu nehmenden Abtasten, wer sich als Kamerad eignet, zieht immer B das kürzeste Hölzchen.
 

v.l.: Kevin Wilke, Stefan Walz, Alexander Peiler - Foto © Christoph Sebastian

In der die Charaktere der dramatischen Groteske von Teresa Dopler fein modellierenden Inszenierung von Peter Wallgram (auch Bühnenbild) als Gratwanderung zwischen Mrozek und Beckett können die drei Darsteller ihre spielerische Stärke in großer Spielfreude wunderbar ausarbeiten. Alexander Peiler offenbart den durchschaubaren schwachen Underdog A ebenso hervorragend wie Stefan Walz seinen vorsichtig schlauen C. Kevin Wilke gelingt der großmäulige Fiesling C blendend. Bedauernswerte entlarvte Lügner und Angeber, traurige Niemande auf der Suche nach Anerkennung und Freundschaft sind alle drei. Platzhalter. 
Eine sehenswerte Aufführung.

Dauer: ca. 80 Minuten, keine Pause
 
Weitere Informationen und Termine: www.wuppertaler-buehnen.de