Wuppertaler Meinung und Dialog

Und es funktioniert doch

von Lothar Leuschen​

Foto: WZ
Wuppertaler Meinung und Dialog
 
Und es funktioniert doch
 
Von Lothar Leuschen
 
Die vergangenen Tage und Wochen konnten leicht der Eindruck erwecken, der Untergang des Abendlandes stünde unmittelbar bevor. Irrungen und Wirrungen in der vermeintlich großen Bundespolitik, Protagonisten, die mit Haken, Ösen und allen teils auch sehr schmutzigen Tricks versuchen, einander ein Bein zu stellen. Dazu braune und dunkelrote Socken, die ihr Glück kaum fassen können, solange sich die überwiegend vernünftigen Politiker gegenseitig das Schwarze unter den Nägeln nicht gönnen. All das sind Zutaten für ein Abstiegsdrama. Es läßt schlimmste Befürchtungen wachsen, daß Deutschland garantiert nicht mehr zu retten ist. Aber abgesehen davon, daß es grundsätzlich gut tut, sich nicht fortwährend den Pulsschlag der unsozialen Medien aufdrängen zu lassen, ist bestimmt auch hilfreich, einmal in Ruhe auf das kleine Ganze zu schauen, auf das nämlich, was vor der eigenen Haustür geschieht – etwa im Wuppertaler Rathaus. Wie im Bundestag liegen sich die Mandatsträger in dem gut 100 Jahre alten, prachtvollen Bau am Johannes-Rau-Platz nicht ständig freudetrunken in den Armen. Auch im Stadtrat und in dessen Ausschüssen wird mit harten Bandagen gekämpft. Und allzu oft obsiegt noch die Ideologie, wo eigentlich der gesunde Menschenverstand den richtigen, kürzesten Weg zum Ziel vorzeichnet.
 
Doch es geht auch anders. Am 17. Februar kommt das wichtigste politische Gremium dieser Stadt wieder zu einer Sitzung zusammen. 80 Ratsfrauen und Ratsherren beraten und beschließen darüber, was in Wuppertal wie geschehen soll und was nicht. Der Wettbewerb um Mehrheiten ist anstrengend und langwierig, bisweilen sogar langweilig. Manchmal aber, wenn es um Elementares geht, geschieht, was viele Kritiker der Politik angesichts der jüngsten Scharmützel im Berliner Reichstag kaum mehr für möglich halten: Die wichtigen Parteien einigen sich auf einen gemeinsamen Antrag.
 
So ist es beispielsweise bei der Frage, wie Wuppertal schneller, günstiger und verläßlich beispielsweise an Schulgebäude kommt, weil die Erfahrung lehrt, daß das städtische Gebäudemanagement derzeit anscheinend nicht in der Lage ist, zu leisten, was es leisten müßte. SPD, Grüne, FDP, CDU und das Linke Bündnis haben sich in dieser wichtigen Frage ebenso zusammengetan wie ohne FDP beim Thema Mehrwegverpackungen in der Gastronomie. Warum hier etwas geschehen muß, verraten nicht zuletzt die überquellenden Mülltonnen vor allem in den Innenstädten von Elberfeld und Barmen. Müll in der Stadt ist für alle Wuppertaler gleich schlecht. Also ist es nur konsequent, daß sich eine breite politische Mehrheit zusammenfindet, etwas dagegen zu unternehmen.
 
Daß im Kern von gesundem Menschenverstand getriebene Politik nicht zu politischem Einheitsbrei führen muß, zeigen in derselben Ratssitzung viele Tagesordnungspunkte, die sich die einzelnen Parteien selbst auf den politischen Leib geschrieben haben – zumeist allerdings ohne größere Hoffnung auf breite Zustimmung. So ist das Geschäft. Aber das System funktioniert. Der politische Streit führt zu Kompromissen. Kompromisse führen zu Ergebnissen, die oft allen, mindestens jedoch der Mehrheit der Menschen zugute kommen. Vielleicht hilft es, sich das am 17. Februar womöglich sogar als Zuhörer im Ratssaal zu vergegenwärtigen. Womöglich fällt es dann leichter, am 23. Februar seine Kreuze hinter den Parteien zu machen, die für ein politisches System stehen, das bei Licht und ohne Schaum vor dem Mund betrachtet seit mehr als 75 Jahren überwiegend sehr gut funktioniert.
 
 
Der Kommentar erschien am 8. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.