Nichts Neues in Olympia
Kirsty Coventry folgt auf Thomas Bach
Von Lothar Leuschen
Irgendwie will sich keine rechte Freude einstellen nach der Wahl von Kirsty Coventry zur Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Dabei sind alle Zutaten wie gemacht für ein Signal des Aufbruchs, des Neuanfangs. Auf den ersten Blick weckt das Ergebnis tatsächlich den Eindruck, als wäre das alte, aber nicht immer ehrwürdige Komitee endlich in der Gegenwart angekommen. Kirsty Coventry ist eine Frau, sie ist mit ihren 41 Jahren verhältnismäßig jung für eine hohe Olympia-Funktionärin, hat als Schwimmerin zweimal Gold gewonnen und – das ist mindestens ebenso bemerkenswert – sie ist Afrikanerin. Die künftige IOC-Präsidentin ist Sportministerin. Das allerdings in Simbabwe, in einem Land also, das nicht sehr häufig mit guten Nachrichten auf sich aufmerksam macht. Das Auswärtige Amt etwa weist auf Menschenrechtsverletzungen hin, spricht davon, daß sich das Land in einer schweren wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise befinde. Daß eine hochrangige Politikerin aus einem solchen Land für das höchste Amt im Weltsport taugt, ist zumindest nicht garantiert.
Hinzu kommt, daß Coventry die Favoritin des scheidenden IOC-Präsidenten war. Thomas Bach hat die olympische Familie zwölf Jahre lang angeführt. Ihm ist es in dieser Zeit gelungen, die Spiele unter den fünf Ringen stabil auf sehr hohem Niveau zu vermarkten. Dafür war Bach bereit, jeden Kompromiss einzugehen, auch den, russische Athleten nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine in Paris unter neutraler Flagge antreten zu lassen. Bach gilt als versierter Strippenzieher. Transparenz hingegen gehört nicht zu den hervorstechenden Eigenschaften seiner Präsidentschaft. So war auch das Auswahlverfahren für seine Nachfolge eher eine geschlossene Veranstaltung mit sieben Kandidaten, von denen allenfalls drei eine Chance hatten – eigentlich aber auch nicht. Denn Kirsty Coventry vereinigte schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit auf sich. So gesehen, haben Bach und seine Nachfolgerin offenbar gute Arbeit geleistet. Es scheint daher allerdings, als sollte es im IOC weitergehen wie bisher. Im Juni tritt Bach ab. Dann hat die Neue alle Chancen, das Gegenteil zu beweisen.
Der Kommentar erschien am 21. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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