Die Farben der Haut
Das Erröten der Haut kann von innen kommen - durch eine gesteigerte Blutzufuhr und erweiterte Gefäße -, oder es kann von außen kommen - durch einen Sonnenbrand, durch Schläge auf Körperteile oder durch Schürfwunden mit Entzündungen. In diesem letzten Fall kommt das Rot doch wieder von innen, weil die erlittenen Verletzungen das Blut nach außen treten lassen. Beim Sonnenbrand haben die Ultraviolettstrahlen im Sonnenlicht zu Schädigungen der Moleküle in den Zellen geführt. Das betrifft vor allem die Epidermis, deren biologische Bestandteile so verändert werden, daß nach dem ersten Brennen später die Elastizität der Haut verändert wird und sogar Schäden des genetischen Materials auftreten, die Hautkrebs auslösen können. Solch ein Sonnenbrand und die damit verbundenen Gefahren für das eigene Leben treten vor allem bei hellhäutigen Menschen auf, während Tiere mit ihrem dichten Fell vor den Verbrennungen durch die Sonnenstrahlen einigermaßen geschützt sind - was aber nicht heißt, daß zum Beispiel Hunde ohne jeden Sonnenschutz auskommen können. Im Gegensatz zu Weißen Hundehaltern erweisen sich schwarzhäutige Tierliebhaber - man sagt heute, sie besäßen eine Haut vom negroiden Typ - als weniger empfindlich gegenüber den UV-Strahlen, was aber nicht verhindert, daß auch sie einen Sonnenbrand an den weniger pigmentierten Stellen ihres Körpers bekommen können, zum Beispiel an den Handinnenflächen, die sie bei hellem Sonnenschein besser so bedeckt halten wie Weiße ihren ganzen Körper.
Die Hautfarbe eines Menschen wird bestimmt durch die Anwesenheit des Pigments Melanin. Sein Name leitet sich aus dem altgriechischen Wort „mélas“ für schwarz ab, und sein Anteil ist durch genetische Vorgaben bestimmt. Handflächen und Fußsohlen zeigen sich gewöhnlich arm an Melanin, während die Zonen um die Brustwarzen und Geschlechtsorgane durch einen erhöhten Anteil des Pigments dunkler werden. Frauen sind insgesamt ein paar Prozent hellhäutiger als Männer, was sie aber nicht anfälliger für den Hautkrebs macht, der auch Melanom genannt wird und extrem gefährlich ist. Die Krebszellen können leicht in die Blutbahn gelangen und sich im ganzen Körper ausbreiten.
Wenn jemand wissen will, warum es die verschiedenen Hautfarben gibt und wie sie entstanden sind, dem wird man im Rahmen der biologischen Wissenschaften mit Überlebensvorteilen der weißen, braunen oder schwarzen Menschen antworten. Dabei gilt stets der Grundgedanke, daß Melanin vor den Schäden schützt, die das UV-Licht bewirken kann. Die Fachleute für die Evolution streiten sich über die Frage, ob Menschen erst dunkelhäutig waren und dann im Laufe der Zeit weiß geworden sind oder ob die Entwicklung andersherum verlaufen ist. Wenn man annimmt, daß die Wiege der Menschheit in Afrika gestanden hat und Sonnenschutz für das genetische Material geboten war, findet man den Gedanken angemessen, daß die ersten Menschen schwarz waren. Denn dann kann ihre Haut sie besser vor Erbschäden durch Sonneneinstrahlung bewahren und auch ein im Blut zirkulierendes Molekül namens Folsäure schützen, das unter anderem an der Spermienproduktion beteiligt ist. Nachdem die dunkelhäutigen Menschen - aus welchen Gründen auch immer - in weniger lichtintensive Regionen - mit einem angenehmeren Klima? - gezogen waren, brachten Mutationen für eine hellere Haut Vorteile mit sich, da mit ihrer Vorgabe durch das Sonnenlicht leichter ein Vitamin gebildet werden kann, das dem Körper beim Knochenaufbau hilft. Auf der weißen Oberfläche lassen sich darüber hinaus leichter Parasiten erst ausfindig machen und anschließend entfernen, während sie sich in einem schwarzen Umfeld besser verstecken und behaupten können.
Das skizzierte Szenarium ist in der Fachwelt umstritten. Möglicherweise haben die Menschen ihre evolutionäre Geschichte mit dem Zwischending einer ockerfarbigen Haut begonnen, aus der sich dunkle und helle Typen mit mehr oder weniger Melanin entwickelt haben. Dabei ist in der Moderne die Paradoxie nicht zu übersehen, daß zum Beispiel ein Schwarzer wie Michael Jackson alles daransetzt, wie ein Weißer auszusehen, während die Hellhäutigen - arm wie reich - alles daransetzen, sich beim Sonnenbaden eine möglichst tiefbraune Haut zuzulegen. Dies gelingt auf der physiologischen Ebene dadurch, daß die UV-Strahlen auf Zellen treffen, die Melanozyten heißen, weil sie Melanin enthalten und das Molekül auch freigeben, wenn sie mit ausreichend Licht aktiviert werden. Man liegt am sonnigen Strand und arbeitet wochenlang an seinem Teint, auch wenn der nach der Rückkehr im öden Grau der wolkenbedeckten Heimat rasch wieder schwindet und man vor allem sein eigenes Krebsrisiko erhöht hat - auch wenn aus medizinischer Sicht zuzugeben ist, daß Sonnenbaden in Maßen das Immunsystem stärken kann. In europäischen Breiten galt eine tiefbraune Hautfarbe lange Zeit als Statussymbol, wie vor allem diejenigen merken konnten, die von ihren Urlaubstagen in südlichen Gefilden eher bleich nach Hause kamen und dann hören mußten, wie die Nachbarn unkten: „Ihr seid ja gar nicht braun geworden.“ Das ließ auf schlechtes Wetter schließen und tröstete die Daheimgebliebenen durch Schadenfreude. Heute verstehen Menschen besser, daß bei allen Vorteilen der Bräune sie läßt einen Menschen gesund erscheinen und seine Haut kann energiereiches UV-Licht abfangen - die Risiken der Einstrahlung, der man seine Haut aussetzt, nicht zu übersehen sind und man überlegen sollte, der Gesundheit den Vorrang vor der vermeintlichen Schönheit einzuräumen.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
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Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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